Graciana - Das Rätsel der Perle
Furcht! Wild entschlossen, diesem Manne die Stirn zu bieten, schwieg sie auch weiterhin.
Eine kaum merkliche Kopfbewegung des Söldnerführers brachte Leben in die Folterknechte. Sie griffen nach den Peitschen. Verknotete Lederschnüre, die sie mit leisem Klatschen auf ihre Handflächen schlugen, als müssten sie sich vergewissern, dass ihr Werkzeug bereit war. Ein hässliches, gefährliches Geräusch, aber Gracianas Miene blieb ruhig und gelassen.
»Vielleicht solltest du wissen, dass am Ende nicht einmal deine Äbtissin geschwiegen hat«, erklärte Paskal Cocherel in scheinheiliger Freundlichkeit. »Leider war sie schon zu alt, um meinen Männern Vergnügen zu bereiten, aber es hat sich gelohnt, sie dabei zusehen zu lassen, was mit den anderen Betschwestern passiert ist.«
Graciana erschauerte. Wie konnte Gott zulassen, dass so etwas mit frommen Seelen geschah, die keine Sünde auf sich geladen hatten? Weshalb ließ er einen Schurken wie ihren Vater am Leben, während ein Engel wie Schwester Adela den Tod fand?
»An die Arbeit!«
Ehe Graciana begriffen hatte, was diese Aufforderung bedeutete, stand sie schon gefesselt an einer Eisensäule direkt neben dem Kamin. Schmale Lederschnüre umspannten ihre Arme und Beine, und ein ähnlicher Riemen fixierte ihren Hals. Wenn sie der eigenen Schwäche nachgab und sich sinken ließ, schnitten die Fesseln mit brutaler Härte in ihr Fleisch.
Sie sah den hämischen Ausdruck in den Augen des Hauptmanns, und wusste, dass er auf einen Laut der Qual von ihr wartete. Paskal Cocherel betrachtete sie mit der kühlen Reserve eines Mannes, der Gewalt für ein bewährtes Mittel hält. Alle schienen sie sich darin einig, dass es nur eine Frage von Augenblicken sein konnte, bis ihre Nerven versagten. Unwillkürlich straffte sie die Schultern und hob das Kinn in stolzer Verachtung.
Gordien zuckte zurück. Obwohl er nur ein erschöpftes, schmutziges Weib wahrnahm, signalisierten ihm alle seine Sinne Gefahr. Litt er jetzt schon unter Einbildungen? Wut begleitete diesen Gedanken, ließ ihn handeln.
Er griff mit beiden Händen nach Gracianas Ausschnitt und riss ihr Kleid bis zum Saum hinunter auf. Tunika, Untergewand und Hemd klafften auseinander und gaben einen schlanken, alabasterfarbenen Körper preis.
Der matte Schimmer der makellosen Haut verschlug den Männern im ersten Augenblick die Sprache. Diese vollkommene Schönheit in dieser grausamen Umgebung wirkte selbst auf diese abgebrühten Schurken völlig fehl am Platze, kam ihnen ungehörig vor.
Vielleicht lag es auch daran, dass Graciana nicht bereit war, die Augen niederzuschlagen. Sie starrte Gordien in trotzigem, ungebrochenem Hochmut an, während ihm fast die Augen aus dem Kopf traten.
»In der Tat, ein leckeres Täubchen!«
Es war Paskal Cocherel, der das lastende Schweigen als erster brach. Er stieß Gordien roh zur Seite und umfing eine von Gracianas Brüsten mit grober Hand.
Graciana senkte den Blick auf die Finger, die lüstern ihr Fleisch berührten, ehe sie die Lider wieder hob. Ihre Mundwinkel verzogen sich verächtlich, und dann begegnete sie den glitzernden Augen des Mannes. Glühend, golden, herausfordernd und mit einem so urwüchsigen, tödlichen Hass, dass seine Hand herabfiel, als habe er sich an ihrer Haut verbrannt.
»Willkommen in der Hölle!«, schleuderte sie ihm entgegen. Ihre raue Stimme hallte von den steinernen Wänden wider. »Tut Euch keinen Zwang an! Nehmt mich nur mit Gewalt, damit Ihr nicht nur ein Mörder und Schurke seid, sondern auch noch die Sünde des Inzests auf Eure schwarze Seele ladet, Herr Vater!«
15. Kapitel
Ich bin Euch für den Hinweis auf Sainte Anne d’Auray zu Dank verpflichtet.« Der Herzog der Bretagne beugte sich zu Kérven des Iles und dämpfte seine Stimme. »Niemand weiß Genaueres, aber wie es scheint, ist das Kloster im Verlaufe der Schlacht tatsächlich überfallen worden!«
»Lasst mich raten«, entgegnete der Graf von Lunaudaie düster. »Der Anführer der feigen Mordbrenner hieß Paskal Cocherel?!«
»Wir werden es erfahren, wenn Jannik de Morvan zurückkommt. Ich habe ihn mit einem Trupp Soldaten nach Auray geschickt!«
Kérven des Iles zog eine Grimasse. »Was erhofft Ihr Euch davon? Cocherel pflegt keine Lebenden zu hinterlassen, die gegen ihn Zeugnis ablegen können!«
»Aber de Morvan wird jeden Stein umdrehen. Vielleicht findet er bei dieser Gelegenheit auch einen Hinweis auf Eure unbekannte Schöne? Habt Ihr nicht die Vermutung geäußert, dass sie
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