Gracie in Love
liegen lassen.
Wie konnte sie ihm das antun? Was waren ihre Beweggründe? Er hätte seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass Gracie Bürgermeister Yardley nicht ausstehen konnte. Warum also sollte sie ihn unterstützen? War sie noch immer verbittert wegen der Geschichte damals? War das etwa ein ausgeklügelter Rachefeldzug?
Leise Zweifel an seiner Spekulation machten sich breit, als er die Bank betrat. Vielleicht war Gracie auch unschuldig. Vielleicht hatte die Person, die sie verfolgt und die Fotos gemacht hatte, genug gesehen. Doch bis die Nachforschungen des Privatdetektivs nicht vorlagen, gab es keine Beweise.
Aber Gracie – nein, das wollte er nicht glauben. Vor vierzehn Jahren hätte er seine Seele, wenn nicht sogar seinen Wagen dafür verkauft, dass sie aus seinem Leben verschwand. Doch jetzt ... Jetzt wusste er selbst nicht, was er wollte.
Er bog um die Ecke und ging zum Aufzug. Mehrere Angestellte standen zusammen und sprachen leise miteinander.
Als er sich ihnen näherte, stieß einer einen anderen an. Sie drehten sich zu ihm um.
„Guten Tag, Mr. Whitefield“, begrüßte ihn eine junge Frau und schaute dabei zur Seite.
Er nickte ihr zu und trat in den Aufzug. Noch bevor sich die Aufzugtür schloss, setzten sie ihr Gespräch fort. Riley hörte noch den Gesprächsfetzen: „... meint ihr wirklich, dass er ...
Worte verbreiten sich schnell, dachte er und stieg im ersten Stock aus. Wahrscheinlich war die Radioübertragung daran schuld. Heute Abend würde Zeke ausnippen. Sie würden sich einen großen Rettungsplan ausdenken müssen, und noch hatte er keine Ahnung, wie der aussehen könnte. Yardley zusammenzuschlagen würde ihm Spaß machen. Doch damit war die Wahl auch nicht gewonnen. Genauso wenig wie mit einer Klage.
Riley betrat sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Er starrte das Porträt seines Onkels an.
„Du wirst nicht gewinnen“, sagte er zu dem Bild. „Weder jetzt noch sonst irgendwann. Ich werde garantiert eine Lösung finden.“
Er würde tun, was er immer getan hatte, wenn die Lage aussichtslos erschien. Er würde einfach noch mehr arbeiten als alle anderen und sich durch nichts von seinem Weg abbringen lassen. Nicht von dieser Stadt, nicht von der Vergangenheit, nicht von dem elenden Bürgermeister und auch nicht von Gracie.
Da klopfte es an der Tür.
„Verschwinden Sie!“, rief er.
„Hier ist jemand, der Sie sprechen möchte, Mr. Whitefield.“
„Interessiert mich nicht.“
„Aber es ist wichtig.“
Heute standen keine Termine mehr an, also konnte es nichts Geschäftliches sein. Vielleicht war es ja Yardley, der sich an seinem Unglück weiden wollte?
Nein, das war nicht sein Stil. Riley wurde neugierig. Also ging er zur Tür und riss sie auf.
„Wer ist es denn?“
Statt ihm zu antworten, trat Diane einen Schritt zurück. Riley erwartete eine ihm bestens bekannte Person mit blonden Haaren und einladendem Lächeln, die hinter ihr zum Vorschein kommen würde. Doch da stand nur ein Mann, Mitte bis Ende fünfzig, in einem abgetragenen Anzug und einem weißen fleckigen Hemd. Er hatte mehr graue Haare und Falten und schien viel kleiner zu sein, als Riley ihn in Erinnerung hatte.
Es war zwar über zwanzig Jahre her, aber Riley erkannte in ihm sofort seinen Vater, der ihn und seine Mutter im Stich gelassen hatte.
Der Mann versuchte es mit einem unsicheren Lächeln. „Hallo, mein Sohn. Wie ist es dir ergangen?“
Gracie war schon auf halbem Weg nach L. A., als sie in Ventura den Highway verließ und zurück nach Los Lobos fuhr. Sie war erwachsen, das wurde ihr schlagartig bewusst, und konnte nicht einfach vor allen Problemen davonlaufen – auch wenn das manchmal keine schlechte Idee zu sein schien.
Und irgendwie gelang es ihr, sich Mut für diesen Schritt zu machen. Hätte ihr in diesem Augenblick allerdings jemand angeboten, bei der Kolonialisierung der Jupitermonde mitzumachen, wäre sie ganz sicher dabei gewesen.
In ihrem Kopf schwirrten eine Menge Gedanken umher. Sie wusste gar nicht, was sie denken sollte. Ihr war ganz schlecht. Und sie war traurig und wütend auf alle, die sie so betrogen hatten. Über ihre Lippen war kein Wort gekommen. Woher bezog der Bürgermeister also seine Informationen?
In diesem Moment klingelte ihr Handy. Sie schaute schnell aufs Display und warf es dann zurück auf den Beifahrersitz. Bisher hatte sie drei Anrufe von Jill, jeweils einen von ihren Schwestern und etwa sechs von ihrer Mutter erhalten, aber sie wollte auf gar keinen
Weitere Kostenlose Bücher