Graf Petöfy
solches Zeichen gegeben wurde.
Schreiben Sie mir, lieber Freund, wie Sie sich persönlich zu dieser Frage stellen, und seien Sie dabei rückhaltlos offen. Ich habe zu lange gelebt und zu viel vom Leben gesehen, um mich schließlich nicht in allem zurechtfinden zu können. Es verwundert mich nichts mehr oder nur weniges noch. Zudem geschieht nur, was geschehen soll, und unerschütterlich bleibt mir der Glaube, daß denen, die Gott liebhat, alle Dinge zum Besten dienen. Vor allem auch die Prüfungen. Ich verharre, lieber Freund, als Ihre herzlich ergebene
Judith von G.
Nachschrift
. Im Begriff, die vorstehenden Zeilen zu couvertieren, kommt Ihr Brief, auf den ich mich beeile wenigstens in einer kurzen Nachschrift noch Antwort zu geben. Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß für die total verwaiste Gemeinde von Amrathskirchen etwas geschehen muß, um so mehr, als unsere Regierung solcher doch naheliegenden Pflichten sich überhoben glaubt. Es fehlt ihr niemals an Mitteln, wenn es neue Regimenter oder Uniformen, aber immer an Mitteln, wenn es eine Kirche gilt. Und doch ist Österreich auf ihr erwachsen. Felix Austria nube. Gewiß; aber jeder andern Vermählung ging die mit der Kirche voraus. Ich vertraue, daß die Zeiten nahe sind, wo sich die Machthaber dieser Tatsache wieder erinnern werden. Es ist das Verderben unserer Tage, daß wir, losgelöst vom Göttlichen, alles aus unserer Kraft und Weisheit herausgestalten, alles uns selbst und nicht der ewigen Gnade verdanken wollen. Es gibt keine neue Weisheit, und der ist der Weiseste, der dies weiß und darnach handelt. Ich bitte Sie, fünfhundert Gulden für mich zeichnen und meinen Namen an die Spitze der Liste stellen zu wollen. Mit mehr öffentlich herauszutreten erscheint mir nicht tunlich, aber es ist mir recht, wenn wir unter der Hand die Summe verdoppeln.
J. v. G.«
Neuntes Kapitel
Phemi war am letzten Tag ihrer nie begonnenen Kur, und zwar unter Zitierung einer gefühlvollen Stelle, von Öslau nach Wien zurückgekehrt, aber das Leben auf der Veranda blieb unverändert dasselbe: der alte Graf erschien täglich, um seinen Besuch zu machen, und nur die Gräfin zeigte sich wieder etwas zurückhaltender.
Franziska, sosehr sie von Anfang an und mehr noch bei Wiederaufnahme der Bekanntschaft zu der liebenswürdigen alten Dame sich hingezogen gefühlt hatte, nahm nichtsdestoweniger diese Wandlung wie schon
die
während der Wintermonate leicht und ruhig hin und fand sich darein, ohne der Ursache irgendwie neugierig nachzuforschen. Es erschien ihr von alter Zeit her als das Vorrecht vornehmer Leute, launenhaft zu sein und auf Sonne bedeckten Himmel und auf bedeckten Himmel wieder Sonne folgen zu lassen.
Dieser Zeitpunkt von »wieder Sonne« kam denn auch rascher noch als erwartet und war das Resultat eines Pater Feßlerschen Briefes, an dessen Schlusse sich folgende Worte fanden:
»Alles in allem, meine gnädigste Gräfin, würde der Eintritt dessen, was Ihnen als sorgenvolle Möglichkeit vorschwebt, nicht gerade das Schlimmste bedeuten, und zwar deshalb nicht, weil es Befürchtungen abschlösse, die beständig in Sicht zu haben beinahe unerfreulicher und jedenfalls beunruhigender ist, als sie sich erfüllen zu sehen. Es rechnet sich eben besser mit Tatsachen als mit Möglichkeiten. Außerdem, so mich nicht alles täuscht, ist die Wahl in mehr als einem Stück gut getroffen und die Seele der jungen Dame von einer Legierung, aus der eine Glocke werden kann, die klingt.«
Bei der Abhängigkeit, in der die Gräfin seit so manchem Tag und Jahr von ihrem Beichtvater stand, schuf dieser Brief einen beinahe sofortigen Stimmungsumschlag und stellte Franziska gegenüber den Ton freundlichen Entgegenkommens wieder her, der seitens der alten Dame bis zu dem Eintreffen Graf Adams geherrscht hatte. Ja, sie war dieser Wandlung insoweit geradezu froh, als sie sich überhaupt ungleich mehr durch Pflichterwägungen und Klugheitsrücksichten als durch den Zug ihres Herzens zu Zurückhaltung und Kühle hatte bestimmen lassen. Dabei hing sie, Nächstliegendes überspringend, allerlei Lieblingsplänen, am meisten aber dem ihr ein besonderes Wohlgefühl schaffenden Gedanken einer Konversion nach. Und dieses Wohlgefühl steigerte sich noch, als eine halbe Woche später Pater Feßler selber in Öslau eintraf, um, wie seine Sommergewohnheit war, große Fußpartien in die Berge zu machen, »aus Naturschwärmerei«, wie die Gräfin, »aus dem Wunsche, wieder schlanker zu werden,«
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