Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
›Ant i christen‹ aufs Panier geschrieben. In entsetzlicher Verbohrtheit sen k ten sie die Fackeln und löschten sie auf dem steinernen Boden und erklärten Friedrich für abg e setzt, aller Würden und Ämter beraubt!«
»Welch ein Triumph für alle Feinde des Reiches, ja der Christenheit! Welch erbärmliches Schauspiel!« sprach Elia erschüttert und voller Zorn.
»Ich war mit Matthäus von Paris in Turin dabei, als dem Kaiser die Nachricht überbracht wurde. Er war außer sich und schrie nach seiner Krone und setzte sie sich aufs Haupt: ›Zu lange bin ich Amboß gewesen!‹ rief er, furch t erregende Blicke um sich werfend ›nun will ich Hammer sein!‹«
»In der Tat«, sagte Elia, »es wird jetzt einige Beulen und Dellen geben, denn wer sollte ihn realiter von seinem Thron, aus seiner kaiserlichen Macht stoßen! Gleich werd ’ ich nach Cortona eilen und –«
»Dort zogen wir gestern durch«, teilte ihm Lorenz mit, »Frau Gersende, die Hüterin Eures Hauses, ließ mich wi s sen, daß die Kommune – allen Anfeindungen gegen Eure Person zum Trotz – den Ankauf des für den Bau von Klo s ter und Kirche San Francesco benötigten Geländes bewi l ligt habe –«
»Endlich eine gute Nachricht in diesen schlechten T a gen!« rief Elia und trank aus, »so will ich keine Zeit verli e ren –«
»Wartet!« hielt ihn Lorenz zurück. »Gersende meinte auch voll ängstlicher Sorge, sie hoffe, Ihr würdet Cortona in nächster Zeit meiden; rund um die Stadt machten sich dreist die Päpstlichen aus Viterbo breit, und es sei vie l leicht Euer Haupt, auf das der Kardinal Rainer von Capo c cio sie angesetzt habe.« Lorenz warf einen abschätz i gen Blick auf den kleinen Trupp Soldaten, den der Bo m barone zu seinem Schutz mit sich führte. »Ihr solltet be s ser nach Ancona zurückkehren und dort warten –«
»Mein Platz ist in dieser Stunde an der Seite des Ka i sers!« wehrte Elia ab, allerdings schwach; er war kein Held. »Wie wichtig wäre es jetzt«, setzte er beschwörend hinzu, »gerade bei unseren Brüdern für Friedrich einzutr e ten, auf daß sie nicht leichte Beute werden der Hetzka m pagne wider den Verbannten. Ich würde ja gern de i nem aufrichtigen Rat folgen, Lorenz« – jetzt ließ er die Katze aus dem Sack –, »wenn du dein päpstliches Legat noch etwas hintanstellen und im Norden, grad in der au f sässigen Lombardei, die Klöster unserer Brüder in Franzisco aufs u chen könntest und pro imperatore Stimmung machen wü r dest -?«
»Und pro Elia?« lächelte der kleine Mönch, was der Bombarone prompt falsch verstand:
»Auch in Süddeutschland wäre für dich eine Aufgabe von besonderer Wichtigkeit zu erledigen, nämlich dafür zu sorgen, da ß u nser Bruder Pian del Carpine nicht gen Osten zieht, bevor William von Roebruk sich zu ihm gesellt – ist der schon in Cortona eingetroffen?«
»Nicht die Spur«, entgegnete Lorenz, »und über die A l pen zieht ’ s mich auch nicht.« Er stand auf. »Ich will ’ s auf meine Kapuze nehmen, für Euch und die gute Sache des Reichs noch eine begrenzte Zeitlang in Italien zu missi o nieren, doch mit Bedacht«, grinste der Minorit, »sonst trifft auch mich noch der Bannstrahl, weil ich mein Legat so offensichtlich vernachlässige …«
Elia gab sich mit seinem Erfolg zufrieden. Fast hätte er Lorenz umarmt, doch dann bedachten beide die wachs a men Augen ihres Gefolges und verzichteten auf jede G e ste brüderlichen Einvernehmens.
»Außerdem erwischt William den Pian sowieso nicht mehr, denn der sollte gleich nach mir aus Lyon aufbr e chen!« warf Lorenz noch im Weggehen hin. »Ihr solltet ihn abhalten, noch im Winter sinnlos die Alpen zu überqu e ren!«
»Die Wege des Herrn sind –« Elia verschluckte den Rest des Satzes, Lorenz war schon zu weit entfernt, und auch wußte er nicht, ob es recht war, Gott für seine überaus ird i schen Machenschaften in die Verantwortung zu ne h men. Sollte William halt sehen, wie weit er kam. Wichtig war hier nicht das Ziel – es gab ja keines –, sondern der Staub, den Williams Zug aufwirbelte. Und würde der unselige Flame für immer im Schnee verschwinden, so wäre das auch gottgewollt!
Während der Trupp des Legaten sich, wie Elia mit B e friedigung feststellte, tatsächlich nach Norden wandte, ve r harrte er noch unschlüssig auf dem Marktplatz von Jesi. Hier war, so kam es ihm erschauernd in den Sinn, vor mehr als einem halben Jahrhundert in einem rasch aufgeschlag e nen Zelt Friedrich geboren worden:
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