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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Konzil einst frommte, mochte Hunderte von Jahren später den Interessen des Patrimonium Petri zuw i derlaufen. So waren denn auch Petschafte, Siegel und U n terschriftssch a blonen verblichener Päpste und Legaten zur Hand, Tinten, Lacke, Schnüre und Kordeln aus allen Ep o chen r ö misch-katholischen Kuriensekretariats.
    »Seine Eminenz erwartet Euch in unserer Fälscherwer k statt!« begrüßte Bartholomäus den späten Besucher. Ihm gegenüber konnte er sich den verpönten Ausdruck le i sten; Matthäus von Paris war nicht nur der fähige Obe r aufseher dieser nützlichen Einrichtung, sondern auch ihr wandelnder Index. Niemand außer ihm hatte alle Daten und Fakten im Kopf – und wußte auch, wo sie zu finden waren.
    Während Bartholomäus den durchnäßten Bruder durch das Ritual das Auf- und Zuschließens der Türen begleit e te, versorgte er ihn mit den Neuigkeiten des Tages:
    »Vitus hat dreimal das volle Dutzend kassiert und steht unter Hausarrest!«
    Wenn er Häme erwartet hatte, wurde er enttäuscht. Ma t thäus zeigte keine Meinung.
    Im Documentarium eingetroffen, begab sich Matthäus von Paris an seinen Arbeitsplatz und blickte ergeben auf zur Decke.
    »Bringt Lorenz von Orta uns eine Antwort auf die Bulle ›Dei Patris lmmensa‹ – des Papstes an die Tataren? Von wann war sie doch datiert?«
    Ohne nachdenken oder gar nachschauen zu müssen, antwortete Matthäus: »Sie wurde am fünften des Monats März vergangenen Jahres registriert, doch eine schriftl i che Replik würde ich von diesen Barbaren nicht erwarten, Eminenz. Sicher ist dagegen wohl, daß Lorenz ein Schre i ben des Sultans an Seine Heiligkeit mit sich führen wird – ein ziemlich grobes, ist anzunehmen!«
    »Das sollte man hindern, zumindest lindern, zumal eine Kopie mit Sicherheit in die Hände der Franzosen gelangt –«
    »Soll ich ein Substitut -?«
    »Setzt es auf, und überlegt schon mal, wie ein Austausch zu bewerkstelligen –«
    »Andreas?«
    »Ungeeignet! Höchstens als ahnungsloser Überbringer. Überlaßt die transactio unserem Mann in Konstantin o pel! Sorgt nur dafür, daß sich die beiden treffen, Lon g jumeau und Orta!«
    Matthäus kramte in seinen Regalen nach der Sorte Pe r gament, wie es die Kanzlei des Hofes von Kairo zu benu t zen, pflegte. Er dachte auch an die rechte Tinte. Dann dre h te er die Dochte in den Lampen an seinem Pult h ö her.
    »Und nicht zu empfindlich, Matthäus!« ließ sich die Stimme noch einmal vernehmen; ihm war, als schwänge ein verhaltenes Lachen mit – ein Gedanke, der alsgleich verworfen wurde! Der Graue Kardinal kannte keinen Spaß. »Wenn wir schon dem Rad der Weltgeschichte in die Spe i chen greifen«, fuhr die Stimme aus dem Dunkeln fort, »dann kräftig! Mag ’ s auch aufkommen auf kurz oder lang: Etwas Schlamm bleibt immer haften!«
    Der Windzug, der die Lichter flackern ließ, zeigte Ma t thäus an, daß er sich nun an die Arbeit machen konnte.
    Die Brücke der Sarazenen
    Puntrazena, Winter 1245/46 (Chronik)
    Ich bin im Himmel! Vom weißen Kissen, das mich umhül l te und meinen Blick einengte, wischte ein Engel mit zarter Hand die letzten Kristallfedern, und meine Augen starrten aus Eisesgruft in ein tiefes Blau von solcher Rei n heit, wie ich ’ s noch nie erschaut. Das war also das Jenseits, dieser dunkel leuchtende Azur, in dessen Tiefe ich vor meinen Gott gebracht wurde. »Ma lahu lachm abyad bi d scha adat al-chamra?« Wenn da nur nicht die Gesichter gewesen wären, die meine Aussicht kranzfö r mi g r ahmten. »Mithl khimzir al-saghir?« Koboldsmasken im Gegenlicht, sie blinzelten neugierig auf mich herab und sprachen eine Sprache, die ich am allerwenigsten hier erwartete: Ar a bisch! »Wa walfuf fi beraq al-qaisar!«
    Meine körperliche Hülle, steif wie ein Brett, wurde rüc k lings auf einen niedrigen Schlitten gehoben, mit Lederfe l len bedeckt und festgezurrt. Lautlos glitt der sündige Leib des unwerten Bruders William von Roebruk, von zotteligen Teufeln gezogen, seiner gerechten Besti m mung entgegen.
    Wieso hatte ich mir die Hölle immer als schwarzes Gro t tengewirr vorgestellt, von flackernden Feuern kaum e r hellt? Sie war weiß wie Schnee, glitzernd und blendend und dennoch brennend heiß! Daß ihr ewiges Eis nie schmolz, das war eines Seiner Wunder. Er ließ meine Sinne an Seiner Unermeßlichkeit teilhaben, bevor Er mich ve r stieß. Die logische Folgerung dieser Erkenntnis war, daß ich noch denken konnte, also vielleicht doch nicht tot war? Aus diesen Zweifeln

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