Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
mußten wir uns in immer höhere Lagen begeben. Meine »Herrin« – zu der ward Madulain von der ersten Stunde an, da ich ihr zu Diensten war – gefiel sich in Strenge: als Lehrmeisterin in den Schneeschuhe xe rzitien und als fo r dernde, unersättliche Gebieterin über meine arme Zunge, die sie nur anfangs als Vasallen betrachtete, zu bald j e doch als stets verfügbaren Leibeigenen.
Wir trafen uns in den entferntesten Hütten, oft aber auch auf nacktem Fels oder gar im kalten Firnschnee. Da ich oft nach dem Klettern, Laufen, Gleiten – und Stürzen – hinte r her außer Atem war, forderte sie ihren Tribut vo r her ein. Ich war ihr verfallen. Sie gab mir nichts, sie legte keine Hand an mich und mein gequältes Glied, ich durfte sie nicht berühren. Ich hatte meine Zunge verkauft, wie man seine Seele dem Teufel verschreiben mag.
Madulain war kein Satansweib, sie war kalt und en t rückt. Sie stöhnte zwar, wenn meine lingua franca sie meiste r lich zur höchsten Erregung stieß, aber nicht einmal dann ließ sie mich zärtliches Einvernehmen spüren. Ich taumelte danach oft die Hänge hinunter ins Tal, oder schlief in Rüeschs Hütte vor Erschöpfung ein. Meine kleine Braut nichts merken und vor allem nicht leiden zu lassen machte mich meine Anstrengungen verdoppeln und ve r dreifachen.
Daß Rüesch ihre Cousine und mich nicht zusammen entdeckte, dafür sorgten die Mädchen, die sich von Pri n zessin Madulain kommandieren ließen. Rüesch wurde dann immer unter einem Vorwand ins Dorf geschickt. Den B e fehl, mich zu meiner Herrin zu begeben, fand ich vor der Hütte. Eine Handvoll Steine, jeweils entsprechend ausg e legt, wies mir Richtung und Weg. Höher als Madulain wagte eh keine zu hüten, so blieben wir vor Überraschu n gen sicher.
Als der Sommer sich neigte, hatte ich es in der Beher r schung meiner zweiten Füße zur Meisterschaft gebracht. Ich bewegte mich auf ihnen mit völliger Sicherheit und wagte mich auch an die kühnsten Sprünge über Felsnasen und sauste die steilsten Hänge hinab, zwischen Steinen und Tannen, ohne mich zu bedenken.
Meine Lehrmeisterin konnte mir nicht mehr beibringen. Und doch folgte ich ihrem Ruf, wann immer er mich e r reichte, nahm die Strapazen auf mich, zu ihr zu gelangen, hechelte mir die Lunge aus dem Leib – und vergaß alles, wenn sie mir ihren Schoß öffnete. Die Wonnen ihr zu di e nen waren unvergleichlich mit den kleinen vorehel i chen Freuden, welche ich mir mit Rüesch bereiten kon n te, die ich von Herzen liebte, der ich gut war, wie sie mir. Ich war unglücklich; ich hatte eine Geliebte, die nicht nach Treue fragte, noch den Tag zu fürchten schien, an dem ich ihr den Dienst aufsagte. Ich bewegte mich in völliger Freiheit und saß in der Falle. Und kein Ende war abzusehen – schlaflos wie diese, hatte ich manche Nacht des beginnenden Her b stes verbracht.
Die Tage wurden kürzer, die Herden und die Mädchen stiegen von den Bergen herab. Rüesch schlief jetzt meist wieder oben in ihrer Kammer, besuchte mich mit legalisie r ter Heimlichtuerei, und ich träumte von vulva und vagina der Prinzessin, die einen penis equestris im Kopf hatte, dessen Träger um seines Gesichtes willen auf me i ner Braut bestand und in seiner Verbohrtheit gar nicht ahnte, welche Lust er versäumte – sollte ich mich mit ihm schlagen? Mich verprügeln lassen? Vielleicht würde sich so der Kn o ten lösen, in den sich mein Hirn ve r strickt?
Das Fleisch ist willig, aber der Geist ist schwach.
Die Speisefolge
Konstantinopel, Kallistos-Palast, Herbst 1246
Ein Page bat die Herren zu Tisch. Im Speisesaal trat Nic o las glatzköpfiger »Koch der Köche«, der berühmte Ya r zinth, auch genannt ›die Zunge‹, auf, gefolgt von einer Schar Epheben, die halbnackt die Silberplatten tr u gen.
Yarzinth deklamierte die Speisefolge und ihre Zubere i tung: »In Weinblätter gerolltes ausgelassenes Kreb s fleisch, übergossen mi t e iner Tunke geronnener Milch, koriander- und minzgewürzt. Gefüllte junge Pfefferschoten mit g e hackten Wachtelbrüsten und deren in Weine s sig gehärteten Eiern; Schnecken im eigenen Sud geso t ten, mit Knoblauch abgeschmeckt in Gurkentaschen …«
Bevor noch die Hauptgerichte aufgefahren wurden, wechselte der Wein vom leichten Kaukasier zum dunkel geharzten Trapezunter.
»Vatatzes läßt seine Weinkeller in Konstantinopel au f füllen, bevor er hier wieder die Macht übernimmt!« spott e te der Bischof. »Dies ist nur eine kleine Kostprobe, die er uns
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