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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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der Lateiner«, der beleibte Aibeg mochte sich nicht aufregen, »das Sündengebot der röm i schen Kirche, damit sie mit Fegefeuer und Verdammnis locken kann – Macht über die Seelen, das ist die wahre Macht!«
    Die beiden Nestorianer mühten sich die Stiegen hoch, die vom Hafen in die Altstadt hinaufführten. Ihre mißbill i genden Blicke fielen in offene Torbögen, in denen die Bet t ler lagen und Almosen heischend die Hände au s streckten, Dirnen ihre Reize wohlfeil anpriesen und Kinder wie Fli e gen um die Stände lungerten, an denen schleimige Quallen, stinkende Muscheln und anderes aus dem Hafenbecken gefischtes unreines Getier angeboten wurde. Andere Hän d ler saßen vor stacheligen Kakteenfrüchten oder einer ha l ben Wassermelone. Wenig Brot, kein Fleisch. Der nächtl i che Markt der Armen. Nur Zuckerwerk gab ’ s reichlich; klebrig und schmutzig wurde die Melasse allerorts aus he i ßen Kesseln geschöpft, die Frauen über dem Feuer drehten. Nichts war von den Kindern so begehrt wie diese Süßi g keit. Sie starrten g e bannt: weit aufgerissene dunkle Augen und schmale Münder in bleichen Gesichtern. Sie starrten sehnsüchtig auf die nicht erreichbare Herrlichkeit. Alles, was sie e r hielten, waren Schläge mit den großen hölzernen Löffel n a uf die Finger, die sie sich dann unter Schmerzen a b schlecken konnten.
    Ein Geruch von Fäulnis hing zwischen den verfallenen Behausungen, in den Höhlen und Höfen. Dann plötzlich Kreischen, Flüche. Eine Horde Halbwüchsiger, die Köpfe geschoren, die Gesichter mit grellen Symbolen der Bande bemalt, rannte durch den Markt, kettenschwingend, mit Knüppeln und Messern. Sie stießen um, was ihnen in den Weg kam, warfen eine Fackel in die Stoffballen eines Schneiders und warteten höhnisch und schweigend, bis er ihnen Geld zuwarf, bevor er sich an das Löschen des Bra n des wagte. Einige trugen auch Helme, die ihre G e sichter verbargen.
    Lärmend zogen sie weiter. Ihr Johlen ging bald unter in den Geräuschen der Nacht von Byzanz, aus der bald wi e der Schreie und Feuer aufflammten. Anderswo.
    Die beiden Abgesandten des mongolischen Statthalters stroll ten mißmutig durch die engen Gassen. Ihr Groll über die schlechte Behandlung durch den Legaten und damit durch den gesamten Okzident, diesen aufgeblas e nen ›Rest der Welt‹, ließ sie auch untereinander lange Zeit kein Wort finden.
    »Baitschu hätte sie doch ausstopfen lassen sollen!« gra n telte der hagere Serkis. »Was hat das Abendland uns vo r aus?«
    Sie schritten durch ärmliche Viertel, in denen der Unrat in der Mitte des löchrigen Pflasters herablief, qualmende Feuerstellen, auf denen in schmutzigen Kesseln karge A b fälle im Wasser schwammen, heruntergekommene Hol z häuser, viele davon halb verkohlt, ragten schwarz gegen den rauchigen Himmel. Die zerlumpten Bewohner stritten sich untereinander, und fremdes Gesindel b e drängte sie, bedrohte und bestahl die Ärmsten der A r men. Es stank, und es war laut und gewalttätig. »Es herrscht keine Ordnung, keiner befolgt das Gesetz!«
    »Die Freiheit, lieber Serkis!« murmelte der dicke Aibeg. »Sie nehmen sich die Freiheit, so zu leben, wie es ihnen gefällt!«
    »Hunger, Diebstahl, Neid, Totschlag – können ihnen doch nicht gefallen?« ereiferte sich Serkis. »Raub und Ve r gewaltigung, Mord und Ehebruch ächten doch auch sie durch strengste Strafen -?«
    »Ja, aber Durchstich und Begünstigung, Ansehen und vor allem Adel läßt die Reichen und Mächtigen andere Richter finden als die Armen. Das ist die Freiheit des Abendlandes, deswegen gelten wir ihnen als grausame U n te r drücker, weil das Gesetz der Jasa für alle gleich ist – und strikt angewandt wird.«
    Sie sahen empört, wie zwei angetrunkene Soldaten einer Frau ihr Kind von der Brust rissen und es zu zerschme t tern drohten, hätte sie nicht weinend, zu schreien wagte sie nicht, unter ihren Rock gegriffen und den Soldaten den Beutel hingestreckt. Gerade griff die Hand gierig zu, als ein metallischer Blitz dazwischen-fuhr und der Soldat sprac h los auf seinen Armstumpf starrte, aus dem das Blut über die Frau und das Kind spritzte, das sie wieder an sich drückte. Das Schwert zeigte nur kurz in Richtung des and e ren, der rückwärts stolperte und sofort Fersengeld gab, während der tödlich Verwundete noch zwei Schritte tat und dann vornüber auf sein Gesicht fiel.
    Jetzt wagten sich plötzlich viele Leute aus ihren L ö chern. Sie umringten jammernd die Frau, die sie vorher ihrem

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