Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Käfer‹ seine Hüften en t langgekrabbelt und hatte sich in seinem Gekröse vergr a ben.
»Nicht besonders«, schnaufte Roç, »dein Pipi war schuld.«
Als Yezas Hand sich daraufhin brüsk zurückzog und sie nicht antwortete, suchten seine Lippen ihre Augen, sie schmeckten sofort, wenn sie weinte.
»Das ist doch kein Unglück!« Er leckte ihre Tränen, doch sie schwieg verstockt. »Sag mir, was du dir wünscht!« flüsterte er in ihr Ohr und ließ seine Zungenspi t ze in der Muschel kreisen. Er wußte, daß sie das liebte, daß sie ihm dann noch immer vergebe n h atte. Doch diesmal wandte Yeza ihren Kopf weg, ihre Haare kitzelten seine Nase. Sie richtete sich auf und riß die Decke weg.
»Ich wünsch ’ mir …« , schluchzte sie und fand die Wo r te nicht.
»Was?« drängte Roç und bedeckte ihren Hals, das Hemd über ihrer kleinen Brust mit ungelenken Küssen.
»Ich wünsche mir, daß du in mich Pipi machst, jetzt!«
Roç war wie erstarrt. »Ich muß aber gar nicht«, preßte er nach einer Zeitlang heraus, »ich kann nicht!«
Da lachte Yeza und schlang ihre Arme um ihn. »Dann habe ich eins gut!« Sie zog ihn zurück unter die Decke. »Du bist mir ein Pieselchen schuld, versprich es mir!« be t telte sie glücklich.
»Großes Ehrenwort!« seufzte Roç und drehte sich zur Seite, auf der er immer einschlief.
»Versprochen ist versprochen!« flüsterte Yeza und schob sich an seine gebogene Wirbelsäule, wo sie jede Rippe fühlen konnte, vorsichtig, damit ihre Haare ihn nicht verrückt machten. Sie wartete, bis sein ruhiges Atmen ve r riet, daß er eingeschlafen war, dann streckte sie sich auf den Rücken, räkelte sich wohlig in der Wärme, die Roç ausstrahlte, und zählte leise die Lichtflecken an der De c ke.
Mit Styx an der Kette eilte Yarzinth die Stufen hinab, die vom Kallistos-Palast, vorbei am hochgelegenen Frie d hof der Angeloi, auf kürzestem Wege in die Altstadt füh r ten. Der Hund zerrte in seinem Halsgeschmeide, und es tat Yarzinth im Herzen weh, daß er jetzt einen Silbe r schmied suchen mußte, der seine Werkstatt noch des Nachts offe n hielt, um den teuren Reif, wahrhaft ein schönes, schweres Stück Silber, fein ziseliert, brutal zu zersägen, um ihn dann wieder nahtlos zusammenzufügen. Er hatte dieses Band der Freundschaft eigens für Styx anfertigen lassen, ein Verl o bungsring gewissermaßen, und daß er aus einem Stück, unab-streifbar war, darauf waren er und Styx stolz: Es war das Zeichen ihrer Ve r bundenheit in Liebe und Treue.
Nicola hatte einen abgefeimten Charakter. Oh, wie er ihn haßte! Den Kopf Hamos sollte er ihm abgeschlagen, bl u tig aufs Bett werfen! Oder diesen Unmenschen selbst vergiften! Nichts hatte ihm das Tier getan, das gute! G e herzt und geküßt hatte es ihn, diesen Unhold, diesen u n menschlichen!
Es geschah selten, daß Yarzinth mit Styx nachts durch die Altstadt streifte. Nicht, daß er fürchtete, angegriffen zu werden, dafür waren der glatzköpfige Koch und sein Bl u thund ein zu sehr furchteinflößendes Paar; nein, ihm e r schienen die Altstadt mit ihren Greueln, ihrem Schmutz und ihrem Verbrechergesindel für die zarte Seele seines blinden Freundes als ein schlechtes Pflaster und die räud i gen Straßenköter in ihr als schlechter Umgang.
Daß Styx blind war, wußte ja keiner, und Yarzinth hatte längst vorsorglich Abhilfe geschaffen. Er trug ein kleines Flakon mit Moschusöl bei sich. Darauf hatte er Styx scharf gemacht. Wenn jemand – betrunken oder sonstwie von Sinnen – tatsächlich ihn mit blanker Waffe bedrohte, dann genügten wenige Spritzer auf den Angreifer, und der von seiner Kette gelassene Styx ging ihm an die Ke h le. Styx vertat keine Zeit damit, dem Gesindel Arme oder Beine zu zerfleischen; er suchte nur einen knackenden Biß, und der war tödlich. Wer es erlebt hatte, der machte einen respek t vollen Bogen um Yarzinth und seinen Hund.
In der kleinen Kirche Sankt Georgios wurde die Mitte r nachtsmesse gefeiert. Aus der offenen Tür warf das gold e ne Licht der unzähligen Kerzen seinen Schein wie e i nen einladenden Teppich auf das Pflaster der abschüssigen Straße. Yarzinth setzte sich auf eine umgestürzte Marmo r säule zwischen zwei Zypressen, zog seinen Hund zu sich und lauschte dem machtvollen Chorgesang der Priester.
Eine Gruppe Dominikaner drängte rüde aus dem Portal. »As-celin«, rief einer von ihnen, kaum, daß sie im Freien waren, aber laut genug, daß es jeder da drinnen noch h ö ren konnte, »diese
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