Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
gefragt, sondern als sichere, schlichte Feststellung gesprochen. »Gut«, sagte er, »ich werde den Auftrag ausführen. Dich aber will ich nicht mehr sehen. Die Geschichte meiner Zeugung möchte ich mir von meiner Mutter erzählen lassen. Geh jetzt, ich will mich bereit machen!«
Der Bischof erhob sich schweigend. Er wußte, er hatte den Jungen für immer verloren. Stumm – äáêñõüåí ãå ëÜóáóá , unter Tränen lächelnd – verließ er den Pavi l lon.
Die Uhr des Hephaistos schlug mit dunklem Klang die sechste und letzte Stunde des Phosphores. Venus ve r blaßte am Morgenhimmel. Die Sonne war aufgegangen.
Gavin Montbard de Bethune, Präzeptor des Ordens der Templer, hatte bei seiner Ankunft in der Sommerresidenz seine Ritter und Sergeanten bereits gerüstet bei den Pfe r den angetroffen. Er begab sich sofort durch den weitlä u figen Park zu dem Nebengebäude, das Pian del Carpine für die lange Zeit seines unfreiwilligen Aufenthaltes als gastliches Quartier diente.
Da niemand auf sein Klopfen antwortete, andererseits er für den sicheren und pünktlichen Kondukt des Missionars die Verantwortung übernommen hatte, trat er leise ein.
Pian war an seinem Arbeitstisch über dem Lesen seiner ›Ysto-ria Mongalorum‹ eingenickt. Im Bett lag, ebenfalls fest schlafend, der Koch.
Was Gavin indes mehr stutzig machte als die Tatsache an sich , war der pralle Beutel Geldes, der gleich neben dem Lager des Glatzkopfes stand, in Reichweite von dessen au s gestreckt herabhängender Hand. Der Templer stieß mit der Stiefelspitze leicht dagegen, und einige Silberstücke fi e len klingelnd auf den Boden. Französische Doublonen!
Pian war von dem Geräusch aufgewacht. Gavin en t schuldigte sein Eindringen.
»Ich muß Euch stören, Herr Legat.« Er vermied es tak t voll, den noch immer schlummernden Yarzinth wahrz u nehmen. »Es ist Zeit! Heute ist Euer großer Tag, Pian del Carpine!«
Lorenz fand Nicola della Porta und John Turnbull unter dem Hauptportal. Zu seinem Erstaunen erkannte der Alte den Bischof von Beirut sofort und begrüßte ihn übe r schwenglich. Ga-leran wurde sogleich ins Bad geleitet, und ein prächtiger Ornat wurde für ihn bereit gelegt.
Die Portraitskizze der beiden ›Assassinen‹ ließ Nicola auf der Stelle von den Wachen an die Tür nageln, und er schärfte ihnen ein, jeden Ankömmling auf auch nur die geringste Ähnlichkeit zu prüfen und gegebenenfalls abz u weisen!
»Vorsicht!« setzte Lorenz hinzu. »Die sind mit dem Dolche schneller zur Hand, als einer zum Schwert greifen mag!«
Turnbull saß neben dem dampfenden Badezuber und r e dete so verschwörerisch wie eindringlich auf Galeran ein. Diener brachten ›ein kleines Geschenk des Hau s herrn‹, einen mit Edelsteinen besetzten Bischofsstab, eine schwere goldene Kette mit einem elfenbeinernen Chr i stus an einem Kreuz aus Ebenholz, was den Kirchenmann aus dem Heil i gen Land – »Um alter Bande willen!« – endgültig alle Einwände beiseite wischen und die ihm zugedachte zer e moniale Aufgabe bereitwillig übe r nehmen ließ.
»Warum so eilig?« Die behandschuhte Faust des Präze p tors hatte in die Zügel gegriffen, als Yarzinth, in Hast ob seiner Verspätung, sich auf ein Pferd schwingen wollte. »Der Bischof muß ein wenig länger warten«, sagte der Templer, »Denn Ihr, Yarzinth, seid nicht nur ein Meister der Kochkunst, sondern, wie ich gehört habe, auch der Ka l ligraphie. Ihr we r det mir eine Fürbitte niederschreiben, so wie ich sie Euch sage.«
Yarzinth erkannte am Ton, daß jeder Einwand sinnlos war; er hätte es auch am Druck der Faust gespürt, die ihn in das Studierzimmer des Präzeptors führte. Pergament und Schreibzeug lagen bereit. Er tauchte die Feder ein.
»›Maria voller Gnaden, heilige Gottesmutter, Königin des Himmels wie auf Erden‹«, diktierte Gavin bedächtig, so daß der Schreiber ihm folgen konnte, ›»Dein Diener Gavin ist bereit, alles, was in seiner bescheidenen Macht steht, die Du ihm verliehen, dafür einzusetzen, auch sein Leben, daß dem königlichen Kinde, Deinem Schoß en t sprossen, kein Leid geschieht. Dich, Maria, bin ich, nimm Dich seiner an, wenn die Mächte der Finsternis, die Teufel der Hölle, nach ihm greifen. Halte Deine Hand über ihn, dort, wohin die meine nicht reicht. Perjesum Christum f i lium tuum. Amen. ‹ «
Yarzinth schrieb schnell und fließend, so überflüssig ihn die Abfassung dieser holprigen Fürbitte ankam; merkwü r dige Anwandlungen überfielen den
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