Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
s mich«, log Lorenz und tat einen mi ß zuverstehenden Schritt in Richtung auf das Hurenwäge l chen.
»Pst!« sagte Ingolinde. »Ich kann Euch nicht zu Dien s ten sein.« Sie kam näher und trocknete ihren Busen mit einem Tuch, daß ihre vollen Brüste vor seiner Nase wip p ten. »Da drin liegt schon ein leibhaftiger Bischof und schläft … Nicht, daß Ihr Falsches denkt, der Alte tat mir leid – er wußte nicht wo sein Haupt bette n i n der fremden Stadt, deren nichtsnutziges Gesindel den Armen auch noch ausgeplündert hat bis aufs Hemd«, plauderte sie munter drauflos.
»Laßt mich einen Blick auf ihn werfen«, bat Lorenz, »vielleicht kann ich –«
Sie lupfte leicht das Zeltleinen. Galeran schlief in den fleckigen Kissen des Lotterbetts seinen Rausch aus.
»Ich nehm ’ ihn mit und sorge für ihn«, sagte Lorenz nach kurzem Überlegen, »das ist wirklich der Bischof von Beirut.« Wenn die Quellen seiner Fabulierkunst nüchtern so sprudelten wie voll geharzten Weines, dann könnte G a leran gut die ihm, Lorenz, zugedachte Aufgabe bei der Pr ä sentation der Kinder übernehmen, dachte sich schlau der kleine Minorit.
»So sorgt, wenn schon nicht die Kirche, so doch der he i lige Franz für die Würde ihrer erlauchten Glieder«, gluc k ste Ingolinde, und sie weckten den Schlafenden, der sie mit einem Wortschwall wüster Beschimpfungen b e dachte.
Lorenz ließ sie über sich ergehen. »Exzellenz«, sagte er freundlich, »der Bischof wird Euch neu einkleiden, kommt nur mit mir!«
Galeran kletterte, immer noch trunken und immer noch recht unsicher auf seinen Beinen, aus der Lasterhöhle. »Hurenweib, liederliche Dirne!« war der Dank, den er für Ingolinde hatte. Die lachte, und Lorenz zog den Zeter n den schnell mit sich fort.
Als der Kurier ohne Hamo vom Hafen zurückgekehrt war, machte sich Nicola della Porta auf den Weg zum P a villon. Er betrat das unterirdische Labyrinth ungern, auch wenn er sich jetzt nicht mehr vor dem Hund fürchten mu ß te.
Er fand Hamo in voller Kleidung auf dem Teppich schlafend – die Kinder verbrachten die Nacht wohl im Ke l ler bei den Mönchen, jedenfalls waren sie nicht da.
Er weckte den Jungen. Hamo reagierte unwirsch und dreht e s ich auf die andere Seite. Die Morgensonne schien durch das steinerne Rankenwerk und sprenkelte Boden und Teppich mit hellen Tupfern, ohne daß aber ein Strahl gle i ßend einfallen konnte. Das Innere des Pavillons war stets, ob bei Vollmond oder greller Mittagssonne, in ein leicht bläuliches Zauberlicht getaucht.
»Hamo«, sagte der Bischof, »ich muß mit dir reden!«
»Laß mich in Ruh ! «
Der Bischof setzte sich auf eines der Kissen und zog das Blatt mit der Übersetzung des Briefes heraus. Das Kn i stern weckte Hamos Neugier mehr als jede Einladung. Er war hellwach, blinzelte aber nur, um es nicht zu zeigen.
»Diesen Text hier«, sagte der Bischof, »mußt du heute verlesen. Es ist das Transkript eines Schreibens des Gro ß khans an den Papst in Rom.«
»Ich denke nicht daran«, sagte Hamo deutlich, »vor die Leute zu treten wie ein Herold!«
»Hamo! Ich bitte dich von Herzen, und wenn es das let z te ist, worum ich dich je bitten werde …«
»Nein!« sagte Hamo, dem es Freude bereitete, Nicola einen Herzenswunsch abschlagen zu können.
»Hamo«, seufzte der Bischof, »es gibt zwei Gründe, weswegen du – und nur du – es auf dich nehmen mußt. Der eine ist, daß du von höchster Stelle bestimmt worden bist –«
»Vom Papst? Der Herr befiehlt, und alle folgen? Ich nicht!«
»Hamo!« mahnte der Bischof.
»Und der andere Grund?« unterbrach der Junge den zu erwartenden Sermon. »Sag ihn mir! Vielleicht überzeugt der mich.«
»Ich wollte nicht in die Situation kommen, es dir zu eröffnen; das steht nur deiner Mutter zu –«
»Was hat die damit zu schaffen?« fragte Hamo ärgerlich und voller Mißtrauen. »Laß sie gefälligst aus dem Spiel, wenn du mich nicht wütend machen willst.«
»Ich möchte von deinem Vater reden.«
»Dem Admiral?« Hamo zeigte kein Interesse. »Den hab ’ ich nie gekannt.«
»Heinrich von Malta, Graf von Otranto, gilt zwar als dein Vater, doch der Same, aus dem du stammst, ist vom G e schlecht Dschingis-Khans.«
Es herrschte ein langes Schweigen. Hamo hielt die A u gen geschlossen, und der Bischof starrte in das filigrane Gitterwerk, das wie eine lichte Kuppel zu ihren Häupten den Pavillon abschloß.
»Deswegen möchte Guyuk, daß ich sein Schreiben ve r lese.« Hamo hatte das nicht
Weitere Kostenlose Bücher