Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Mongolen-Missionar Pian del Carpine ankündigen! Wo bleibt er nur?!
Auch John Turnbull rutschte unruhig auf seinem Stuhl, reckte sich fragend vor; leichte Unruhe im Saal. Da trat Yarzinth feierlich an die Rampe, stieß dreimal seinen H e roldsstab auf und verkündete:
»Eine Botschaft des Großkhans Guyuk!«
Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Hamo plötzlich aus dem Nichts vortrat. In seiner Kostümierung war er für ni e manden zu erkennen, der ihn nicht zumindest so gut kannte wie ich. Ich sah Pian erbleichen und Turnbull e r starren. Hamo, eine Rolle Pergament in der Hand, wart e te, bis im Saal Mäuschenstille herrschte:
»›Durch die Kraft des ewigen Himmels, des ozeangle i chen Khans des mächtigen, großen Volkes der Mong o len, hier Unser Befehl:‹« Wenn seine Stimme erst noch belegt klang, sprach Hamo jetzt fest und sehr männlich. »›Dies ist eine Weisung, an den großen Papst gesandt; er möge sie zur Kenntnis nehmen und begreifen. Dieses Schreiben wurde beraten, und die Bitte um Unterwerfung wurde von seiten Eurer Gesandten gehört. Wenn Ihr entsprechend E u rem Wort vorgeht, so kommt: Du, der große Papst, und die Könige alle persönlich, um Uns zu huld i gen. Dann werden Wir auch die Weisungen, die es gibt, vernehmen lassen. Weiter habt Ihr gesagt, für mich we r de in der Annahme der Taufe ein Vorteil liegen. Du hast es mir mitgeteil t u nd eine entsprechende Aufforderung geschickt. Dies Dein Gesuch habe ich nicht verstanden. Und wenn Du weiterhin sagst: ›Ich bin Christ, ich vere h re Gott‹, wie willst du wissen, wen Gott freispricht und zu wessen Gunsten er sein Mitleid ausübt? Wie willst Du das wissen, daß Du eine solche A n sicht äußerst? Durch die Kraft Gottes sind Uns alle Reiche vom Sonnenau f gang zum Untergang übergeben worden, und Wir besi t zen sie. Wie könnte jemand, außer auf Gottes Befehl, etwas vollbringen? Jetzt aber müßt Ihr mit aufric h tigem Herzen sagen: Wir wollen gehorsam sein, wir stellen auch unsere Kraft zur Verfügung. Du persönlich an der Spitze der Könige, Ihr alle zusammen, sollt kommen, um Uns zu huldigen und Dienst zu leisten. Dann wollen Wir Eure Unterwerfung zur Kenntnis nehmen. Wenn Ihr aber Gottes Befehl nicht annehmt und Unserem Befehl zuw i derhandelt, werden Wir erkennen, daß Ihr Unsere Feinde seid.‹«
O großer Gott, schoß es mir durch den Kopf, wie kann man nur so die Stimmung verderben! Pian ist mit dieser Publikation eines offiziellen Briefes an seinen Herrn Inn o zenz völlig bloßgestellt! Wie soll er seinen Hals aus dieser Schlinge ziehen? Und Turnbull mit seiner Vorste l lung der Kinder als ›Friedensboten‹ macht sich geradezu lächerlich! Wer hat sich nur diesen infamen ›Schritt in die Öffentlic h keit ausgedacht? Ich mußte gleich Hamo zur Rede stellen!
Der hatte inzwischen mit folgender Floskel geendet: »›Das ist es, was Wir Euch kundtun. Wenn Ihr dem zuw i derhandelt, was sollen Wir dann wissen, was g e schieht? Das weiß nur Gott.‹«
Betroffenes Schweigen im Saal, dann brach, ausgehend von den Päpstlichen und den Franzosen, ein Tumult los. Ich sah, wie Yarzinth den jungen Grafen hinter den D a mast zerrte und dann ungerührt vortrat, mit dem Perg a ment in der Hand, das er entrollte: »›Geschrieben am Ende der Dschumada im Jahre 644 nach der Hedschra!‹ Das gilt den Muslimen unter unseren Gästen«, verkünd e te er launig, und der Aufstand im Saal legte sic h e twas. »Für die Chri s ten datiert das Schreiben auf Anfang November Anno D o mini 1246!« Und ehe sich jemand ve r sah, hatte Yarzinth seine Hand mit der Rolle über das Feuer einer der Schalen gehalten. Es flammte kurz auf und zerfiel sofort zu Asche.
»Mein Brief!« Pian stürzte verzweifelt hinzu, und mit einer raschen Bewegung, die niemand nachvollziehen konnte, hielt Yarzinth plötzlich ein Schreiben in der Hand, das er mit einer lässigen Verbeugung dem Missi o nar in die Hand drückte. Pian drehte und wendete es: Es trug das Si e gel des Guyuk, und das Siegel war unve r sehrt.
Ich war hinter den Damast gesprungen, um mir Hamo zu greifen, doch dort war niemand, dabei hatte ich beide Se i ten im Auge gehabt, und keiner konnte den Platz ve r lassen haben! Ich eilte zurück zu den Kindern, die den ganzen Rummel sichtlich genossen und eigentlich nur wünschten, sich endlich in ihren Mongolenkleidern ze i gen zu dürfen. Ich mußte sie regelrecht zurückhalten.
»Ich kann auch eine Geschichte von einem großen K ö nig erzählen, wie Hamo!«
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