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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Rasseln und Scheppern ihrer Waffen. Wie Wolken glitten die Beifallsrufe an mir vorbei, das Klatschen der Menge in den Straßen, durch die ich getragen wurde. Ich blinzelte und sah das Tuch über meiner Nase, meine Hände lagen verschränkt auf meiner Brust, ich spannte die Sehnen ihrer Finger, sie bewegten sich, ich zupfte am Tuch, zog es vorsichtig zur Seite, bis sich auf der einen Seite ein Spalt ergab und ich die Gesic h ter der Leute sah, die da ergriffen Spalier sta n den. Einige schneuzten sich, andere riefen auf griechisch: »Nieder mit Rom!« und: »Es leben die Kinder des Gral!«, und sie bal l ten die Fäuste.
    Ich sah den Nacken des Mannes vor mir, der einer von denen war, die mich trugen; ich erkannte ihn am blaug e lben Halstuch als einen derer von Otranto. Das waren auch die Farben der Fahne, unter der ich ruhte, als im heroischen Kampfe gefallener Held.
    Ich zog so dicht an den Gesichtern der Gaffer und der Trauernden vorbei, der Wütenden und der Neugierigen auf den Schultern der Neugierigen, ich hätte die Münder kü s sen können, die hochgehaltenen Säuglinge der jüng e ren Frauen, da erblickte ich Ingolinde. Ich blinzelte ihr zu, aber sie schaute über mich weg, wohl auf die Fahne und rief: »Ach, William!«, und in ihren schönen Augen standen Tränen – vorbei!
    Hinab ging es die steilen Gassen der Altstadt, ich fürc h tete vom Schild zu gleiten, stemmte unbewußt meine Fe r sen gegen den Rand. In einer Kurve bekam ich auch die Spitze des Zuge s z u sehen. Da schritt aufrecht und voller Würde mein kleiner Roç und Hamo an seiner Seite, der sich immer wieder umsah, ob ich auf meinem Schild noch folgen würde. Winkte er mir zu?
    Ich sah, wie Roç stehenblieb und den Zug an sich vorbei passieren ließ; jetzt mußte ich ihn gleich erreicht haben, doch da schwenkte die Marschkolonne in eine entgegeng e setzte Richtung, und ich sah wieder nur fremde G e sichter. Doch plötzlich hörte ich die Stimmen der Kinder, es war wie im Himmel!
    »Wenn ich ihn auch nicht tragen kann« – mein kleiner Roç schien das zu bedauern –, »gefällt es mir doch, Wi l liam so nahe zu sein.«
    Wo steckten sie bloß, gingen sie etwa direkt unter mir? Yeza enthob mich endgültig dieses Zweifels.
    »Es würde William auch gefallen, wo er uns doch immer Schild und Schutz sein wollte!«
    »Nun haben wir ihn nicht mehr!« klagte Roç. Sicher le g te sie jetzt den Arm um ihn …
    »Denk daran, was die Frau gesagt hat!«
    »Wenn sie nicht so weiße Haare hätte«, dachte Roç laut, »so stell ’ ich mir unsere gütige Mutter vor.«
    Yeza schien ihm beizustimmen. »Sie hat gesagt: ›Fürc h tet euch nicht. Ich werde bei euch sein bis ans Ende der Tage.‹«
    »Ich fürchte mich ja auch nicht!« sagte Roç tapfer, aber ich konnte hören, wie er mit den Tränen kämpfte, »und du mußt dich auch nicht fürchten; denn das hat sie auch g e sagt: ›Liebet einander, so wie ich euch liebe!‹«
    In dem nachfolgenden Schweigen, nur gestört vom Tritt der Marschierenden, vom Klirren der Waffen und dem Klatschen und Jubeln der Zuschauer in den engen Gassen der Altstadt, glaubte ich doch das leise Weinen der Ki n der zu vernehmen. Sollte ich hinunterlangen, ihre Köpfe stre i cheln?
    »Jetzt geh du wieder nach vorn«, Yezas Stimmchen war belegt, »zur Fahne! Ich bilde mit Sigbert die Nachhut. Es kann euc h n ichts geschehen!« Das Hinwegtrippeln ihrer Füße bildete ich mir nur ein.
    Ich warf noch einen letzten Blick nach vorne. Voller B e ruhigung vermerkte ich die blinkenden Sensenblätter auf den Ruderstangen der lancelotti, die geschulterten Arqu e busen und die Morgensterne, Enterhaken und Äxte der m o riskos, und dann kamen wir am Hafen an, da sta n den die Franzosen des Grafen Joinville, und sie senkten ihre Ori f lamme mit den königlichen Lilien vor dem Leichnam des William von Roebruk. Ich war gerührt – oder war es die Brise vom Meer her, die mein Auge tr ä nen ließ?
    Meine Träger hoben mich an Bord der Triëre.
    »Lebt wohl, William!« hörte ich den bärbeißigen Sigbert flüstern, der wohl am Kai zurückgeblieben war, und die Stimme der Gräfin sagte, so zärtlich rauh hatte ich sie noch nie gehört: »Alles wird gut, mein Junge!« Hatte sie etwa zu Hamo gesprochen, ihrem heimgekehrten Sohne? Schluc h zte sie? Nein, sicher nicht.
    »Ablegen!« befahl sie, wie ich ’ s von ihr gewohnt.
    »Agli ordini, contessa!« rief der brave Amalfitaner.
    Ich war auf dem Heck abgesetzt worden, vor dem Zelt. Ich vernahm den

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