Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
hinter seinem Rücken die Zunge herausz u strecken.
Gegen Abend gelangten wir an ein Lager der Gitanos, die um ein offenes Feuer hockten. Unsere faidits wechse l ten mit dem Anführer Worte in einer Sprache, die ich noch nie gehört hatte, doch sie genügten, um jegliches Mißtra u en auszuräumen. Stolz wiesen sie Creans Goldstücke z u rück und machten uns ehrfürchtig Platz in ihrer Runde, um ihren Bratspieß mit uns zu teilen, Hase und Igel, mit Kno b lauchzehen, nelkengespickten Zwiebeln und Kno l len vom wilden Fenchel versetzt.
Crean beredete sich mit dem Stammesältesten, der etwas Französisch sprach, und ich hörte, wie dieser vor den Le u ten des Königs warnte, die an der Küste ›ihrer‹ C a margue eine neue Stadt bauten, einen Hafen, befestigt wie eine ri e sige Burg mit Straßen und Steinhäusern darin, was die G i tanos besonders empörte. Überall wimmle es von fremden Handwerkern, die Bäume fällten und Steine schlugen, und von Soldaten, die – statt diese zu bewachen – Jagd auf Wildesel machten und auf die jungen Frauen seines Vo l kes. In den nächsten Tagen würde der König dort erwartet, der in eigener Person sich vom Fortgang der Arbeiten überzeugen wolle.
Mit uns am Feuer hockten auch zwei Fremde, die bei dieser Auskunft aufmerksam reagierten und miteinander flüsterten. Mir kam es vor, als sprächen sie Arabisch. Ihr auffälliges Verhalten war dem stets wachen Auge des Konstanz von Selinunt nicht entgangen. Er setzte sich wie zufällig zu ihnen, da er sie aber nicht ansprach, maß ich meiner Beobachtung weiter keine Bedeutung zu. Als es Zeit zum Schlafen war, lagerte ich mich abseits und wurde unbeachteter Zeuge eines leise geführten Disputs zwischen meinen Rittern.
»Es sind Assassinen«, gab sich Konstanz geheimnisvoll, und sofort zuckte die Hand des alten Sigbert zum Schwert.
»Was geht uns das an!« suchte Crean beide zu b e schwichtigen, und ich hatte den Eindruck, daß ihm diese Entdeckung äußerst unangenehm war.
Sigbert erlebte ich zum ersten Mal leicht nervös. »Ohne Auftrag wären sie kaum hier –«
»Sicher ist ein altgedientes Mitglied des Deutschen O r dens das ausersehene Ziel ihrer Dolche!« spöttelte Kon s tanz. »Ich würde an deiner Stelle heute nacht –«
»Solange sie uns nicht stören«, ging Crean abschließend dazwischen, »ist es klüger, sie zu vergessen!« Unserem Anführer lag nichts an der weiteren Erörterung der G e schichte, die ihn weniger beunruhigte als ärgerte. »Gute Nacht, meine Herren!«
Nachdem ich die Kinder, die in mir inzwischen eine Art dicke Amme sahen, liebevoll zugedeckt hatte, versuchte ich zu beten. Für wen? Für mich? Ich könnte vielleicht im Schutz der Dunkelheit fliehen. Das Land um mich war wild, ungezähmt waren seine Bewohner – und die Kutte eines Minderbruders, mochte er noch so bettelarm sein, erschien mir alles andere, als ein sicherer Schutz! Selbst wenn ich auf Ludwigs Leute stoßen würde – was soll ich meinem fro m men Souverain erzählen? Ich sei entführt worden von einem Komplott der Templer, des Deutschen Ritterordens, der fa i dits und des Sultans – mittels einer H e xe im Walde, Loba, der Wölfin, die mü s se er doch sicher kennen!
Ach ja, und die Kinder! Was würde dann mit den Ki n dern geschehen? Für sie betete ich und bemühte mich dann, Schlaf zu finden, doch immer wieder schob sich der Mon t ségur vor meine Augen, wie die Wolken vor den Mond. War der Gral doch ein ›Ding‹, das in den Tiefen einer Es o terik, die mir fremd war, militante Orden christlichen Ri t tertums mit der ›Minnekirche‹ verband? Waren Roger und Yezabel ›Kinder der Liebe‹ – wessen? –, daß ihretwegen Vertreter so konträrer Interessen, ja Glauben sf einde, sich zu einer solchen Rettungsaktion zusammenfanden? Was war das ›Exzellente‹, das ex co e lis an ihnen? Roger, der Junge, den auch die faidits nur ›Roç‹ riefen, war ein scheuer Charakter, still, aber oft von ernster Würde. Sein dunklerer Teint, seine braunen Augen deuteten auf med i terranes Erbe hin; er konnte ein Kind Okzitaniens sein, sprach auch die langue d ’ o c flü s sig, zur Freude der faidits, die ihn verehrten wie einen kleinen König. Yeza war schon vom Aussehen her ein Fremdkörper, und ihre forsche Art war ganz anders, als sich kleine Mädchen des Südens zu verhalten hatten. Sie gab sich nicht als ›Prinzessin aus dem Land zwischen Morgen und Abend‹, wie Konstanz sie mal galant tit u lierte, sondern wie ein als
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