Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
mürrisch dem vo r angegangenen, knappen: »Der Nächste!« hinzu.
»Meine Seele ist verwirrt«, antwortete ich wahrheitsg e mäß; er würdigte mich eines knappen, mißbilligenden Bl i ckes.
»Kein Wunder in diesem Tollhaus«, scherzte ein hina u seilender Schreiber, den Arm voller Dokumentrollen und grinste mir aufmunternd zu.
»Sie bedarf der Hilfe –« , setzte ich meine unvorbereitete Erklärung fort.
»Ach du lieber Gott! Jetzt bloß keine Bittsteller!« zisc h te ein hagerer Prälat dem Secretarius zu, bevor er sich an uns vorbeischob und in der offenen Tür verschwand, die zu den hinteren Räumen führte. Dorthin mußte ich gela n gen, dies war nur das Fegefeuer. Hatte ich Narr erwartet, direkt vor den Heiligen Vater geführt zu werden, der sich alsbald, meiner ansichtig, von seinem Thron erhob und mit den Worten: ›Endlich seid Ihr gekommen!‹ den ni e derknienden Mönch aus Roebruk zu sich aufhob und gütig sprach: ›Sag uns allen, was dich bedrückt, Will i am!‹ Aber wie sollte der Papst mich erkennen, trug ich doch nicht einmal meine braune Kutte der Franziskaner?
Der Sekretär trommelte mit den Fingern auf die Tisc h platte. Das riß mich aus meinen Träumen.
»Ich muß wissen, was es mit den Kindern auf sich hat«, flüsterte ich in meiner Verzweiflung. »Ich kann die selts a me Begebenheit nur dem allerhöchsten Ohr anvertra u en; dem Heiligen Vater will ich beichten!«
Einige der Anwesenden verdrehten die Augen zur ve r rußten Decke, andere kicherten. Der Secretarius schien den Umgang mit verirrten Vögeln gewohnt zu sein.
»Der Heilige Vater ist in einer wichtigen Besprechung«, beschied er den törichten Mönch mit höflicher Routine. »Wenn Ihr Euer Gesuch – mit genauer Beschreibung der Vision, sowie der bisher Euch entstandenen Kosten – schriftlich aufsetzen könnt, wird es Seiner Heiligkeit u n terbreitet werden!« Damit war ich für ihn entlassen.
Er hatte nicht mit meinem flämischen Dickschädel g e rechnet. »Sie sind aus Fleisch und Blut«, empörte ich mich, meine Stimme hebend, »ich muß den edlen Papst selber sprechen.« Ob meiner Kühnheit fiel ich nun doch ins Flü s tern.
Aus dem Nebenzimmer, hinter der Tür, fragte eine Stimme ; es war dieser Fra Ascelin: »Was ist die Nac h richt?« Und der Sekretär rief zurück, »Dringend und g e heim!« – »Bl u tet er?« Der Sekretär schaute ungläubig auf meine Hände und Füße, als solle er die Wundmale Christi an ihnen en t decken. Ich wies lächelnd meine Handflächen vor. »Nein, er ist gesund!«
»Dann schmeißt ihn raus!« Dem kam ich zuvor; ehe j e mand mich halten konnte, rannte ich aus diesem Raum vo l ler gefährlicher Narren. In der Tür wäre ich fast mit einem Boten zusammengeprallt; blutend an Stirn und Arm, sein Lederkoller in Fetzen, gefolgt von einem Knäuel aufgere g ter Wachsoldaten, die nicht wußten, ob sie ihn stützen oder hindern sollten, bahnte er sich seinen Weg zum Vorzimmer des Audienzsaales.
»Verrat, Verrat!« keuchte er. »Der Staufer -!«
Der Sekretär war aufgesprungen: »Haltet ihn!« Ich dac h te, es galt mir; von panischer Angst gebeutelt, stürzte ich durch die Gänge, die Stiegen hinab, brach von hinten kommend durch die verwirrten Wachen, die gerade h a stig dabei waren, die schweren Torflügel zu schließen.
So entrann ich dieser Burg des Teufels! Wer hatte mich nur geheißen, dorthin zu gehen? Ich rutschte auf dem Stei n pflaster aus, stolperte dann über eine Baumwurzel, Feuer to s te um meinen Kopf, und ich blieb wie betäubt liegen.
Mir kam Lobas Hütte in den Sinn, der Schlag, die au f prasselnden Flammen! Hufgetrampel und Waffengerassel zerrten mich in die Gegenwart zurück. Vor mir der Baum. Ich entwickelte eine für meine Leibesfülle ungeahnte B e hendigkeit und kletterte stöhnend in sein As t werk. Erst als ich, weit über mannshoch, den Blicken meiner Verfolger entzogen war, hielt ich inne. Der Böse hat es auf dich abg e sehen, William, doch wieder bist du ihm entwischt! Noch außer Atem bemerkte ich, daß die Dämmerung eingefallen war und mich im Blattwerk gnädig umhüllte. Herr, ich danke dir!
Im Vertrauen auf IHN stieg ich so hoch hinauf, daß ich über die Mauern blicken konnte. Überall in den Fenstern der Bur g f lackerte nun Licht, huschten Fackeln und Scha t ten, erschollen Rufe und Befehle, auch Jammern war zu hören. Meine Phantasie malte sich aus, wie im Schlafg e mach des Papstes die Kämmerer Innozenz beim Ankleiden behilflich waren, wie im
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