Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
ve r lassen, und ich will dich reich b e schenken. Willst du aber bleiben, dann ist es auch dein Haus!‹ Ich verstand nicht im geringsten, was sein bisher freundliches Verhalten so ins Emphatische übersteigert haben mochte. Er schickte in se i nen Harem, und durch die Tür trat, unverschleiert: Anna! Sie war schmal g e worden, zerbrechlich; sie war damals wohl schon krank. Sie lächelte mir zu und nahm zu Füßen ihres Herrn Platz, der seinen Tränen freien Lauf ließ. Ich war sprachlos und verbarg mein Gesicht in meinen Hä n den, statt sie zu b e grüßen. Erst als sich des Emirs Arm um meine Schulter legte, schaute ich wieder auf. Neben Anna stand ein Knabe. ›Fassr ed-Din, unser Sohn‹, sagte der Emir …«
»… Qul a ’ udhu birabbi al-falqi, min scharri ma chalaka …«
»… und ich spürte, daß er sie beide liebte. Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. ›Allah hat dich gesegnet mit di e sen Eltern‹, sagte ich, so feierlich ich konnte. ›Laß mich dein älterer Freund sein.‹ Der Junge hatte mich erst wie einen unwillkommenen Eindringling betrachtet, faßte aber schnell Vertrauen zu mir. ›Ich habe mir immer einen Ritter des Kaisers zum Freund ge-wünscht!‹ Ich ve r mochte ihn nicht zu enttäuschen. So ward ich zum ›Ritter Sigbert‹, lange bevor ich Kairo verließ und in den Orden eintrat. Anna – zwölf Jahre waren vergangen – starb bald darauf, und ich wurde für Fassr Vater und Mutter z u gleich.«
»… wa min scharri al-naffathati fil-uqadi, wa min scharri hasi-din idha hasada.«
Sie traten beide an die Brüstung und schauten hinüber zur Ringmauer, wo Crean und Konstanz jetzt ihre Gebete beendet hatten und den Teppich wieder einrollten. »We l che Vision einer pax mediterranea«, bemerkte die Gräfin leicht spöttisch. »Ein zu den Ismaeliten konvertierter Christ – wenn auch mehr ketzerischen Ursprungs – und ein vom Kaiser in den Ritterstand erhobener Muselmane. Beide im Gebet zu einem Gott vereint –«
»Nichts bleibt Euch also verborgen«, wandte sich Si g bert, wie aus einem Traum erwacht, an die Gräfin. »Ihr wißt demnach über die Identität von Konstanz?«
»Es ist wie verhext«, sinnierte Laurence, »alle, die mir in meinem Leben begegnen, sind miteinander verstrickt wie Gefangene in einem Spinnennetz. Dabei spinne ich w e der die Fäden, noch bin ich die gefräßige Spinne, die ihre Beute aussaugt – doch immer kreuzen sich unter me i nen Händen Wege, die – wenns mit rechten Dingen zugi n ge – nie aufeinandertreffen dürften!«
»Magie ist eine Gabe, kein Gehabe.« Sigbert war noch viel zu benommen von seiner eigenen Geschichte, als daß er auf ihre Sorgen eingehen mochte. »Es wird schon mit Eurem außerordentlichen Leben zu tun haben, daß Ihr Leuchtfeuer und Hafen für so viele seid – sonst wären wir – und vor allem die Kinder – nicht gerade hier!?«
»Die Kinder«, sagte Laurence, »wo stecken sie eigen t lich?«
»Vorhin spielten sie im Garten und schlichen sich an u n ser junges Paar heran –« Er deutete hinunter zum Sprin g brunnen, auf dessen Rand Clarion gesessen hatte, zu ihren Füßen einen Jüngling, dessen fremdländischer Gesicht s schnitt dem Ritter gleich aufgefallen war. Jetzt umkreisten beide die Fontäne; es war nicht auszumachen, ob im verlie b ten Spiel oder im Groll. Clarion spielte mit dem Jüng e ren wie ein Kätzchen, etwas, was die Gräfin sichtlich mit Unb e hagen sah. Eine steile Zornesfalte trat auf ihre Stirn, doch dann besann sie sich. Als ob sie die beiden zur Ordnung r u fen wollte, wandte sie sich streng an Sigbert: »H a mo, mein Sohn, und Clarion sind kein Paar, aber sie sind auch keine Geschwister, obgleich sie so aufgewachsen sind.«
»Ich dachte –«, lenkte Sigbert leicht entschuldigend ein.
»Ihr dürft vermuten.« Laurence war bemüht, dem G e spräch eine andere Richtung zu geben. »Oder vielleicht überrascht es Euch auch nicht, daß ich in der Lage bin, E u re Geschichte zu Ende zu erzählen, gleichsam als B e weis meiner Hexerei –« Sie lachte bitter. »Der Name Eures Emirs ist Fakhr ed-Din. Sein Sultan beauftragte ihn mit den geheimen Verhandlungen, die er mit Friedrich führte. So gewann er des Kaisers Gunst und Vertrauen, die ihren ä u ßeren Ausdruck darin fanden, daß sein Lieblingssohn Fassr am Hofe von Palermo aufgenommen und vom Staufer e i genhändig zum Ritter geschlagen wurde: Konstanz von Selinunt, Euer Zögling! Um sich zu reva n chieren, sandte der Emir zu des Kaisers Hochzeit mit
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