Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
schocken, Oliven, gebratene Sardinen und Auberginen in Scheiben, dampfende, frisch abgebrühte Langusten und schon erka l teter, gekochter junger Schwertfisch. Zitronen und Orangen leuchteten farbig dazwischen, in den Krügen gekühlter Wein und frisches Wasser. Alles war bereit, nur die Pün k tlichkeit der Gäste ließ zu wünschen übrig.
Laurence trat an eines der hohen Fenster – es würde auch ein Abschiedsessen sein. Unten im Hafen schaukelte ihre Triëre und wurde von den Bootsleuten gesäubert, au f getakelt und beladen. Noch heute nachmittag würde sie mit dem Herrn von Öxfeld und dem Grafen von Selinunt wi e der in See stechen. Sie hatten ihre Mission erfüllt, und Si g bert würde sich wieder auf Starke nb erg vergraben und Konstanz sich zum Emir Fassr ed-Din zurückverwandeln. Sie kehrten nach Syrien zurück.
Als erster trat, leise und bescheiden, Tarik, der Kanzler, ein. Laurence klatschte in die Hand. Ein Becken temperie r ten Wassers, auf dem Rosenblüten schwammen, wu r de dem Gast gereicht, damit er sich die Fingerspitzen netzen konnte.
»So muß ich, Exzellenz« – sie nahm selbst eines der T ü cher, um dem hohen Gast die Hände abzutrocknen –, »w e nigstens nicht ganz alleine speisen. Die anderen ve r gessen die gebotene Höflichkeit wohl über Begrüßung s freuden und Abschiedsschmerz.«
»Pünktlichkeit sollte über menschlichen Regungen st e hen wie Ehrfurcht und Gehorsam!« pflichtete ihr Tarik bei. »Ich werde Crean de Bourivan bestrafen!«
»Vergebt ihm um meinetwillen!« Laurence befürchtete – mit Recht – daß er meinte, was er sagte. »Er wird noch bei seinem Vater sein!«
»Mit dem Eintritt in unseren Orden läßt jeder jede fam i liäre Bindung hinter sich; er muß das lernen.«
»Aber diesmal noch ungestraft, ja?« Sie konnte cha r mant sein und war sich ihrer Wirkung auf Männer immer noch bewußt.
Er lächelte ihr zu, wie er vorher Yeza zugeblinzelt hatte, als sie erschrocken am Ende der Rampe die Gräfin hatte stehen sehen und sich eines Donnerwetters gewiß war. Schnell hatte er den Vorhang zugezogen, und die Kleine war auf der anderen Seite entwischt. Tarik war heute g ü tig gelaunt, fast heiter. Er hob den Daumen zum Gnadenze i chen.
»Versteht mich nicht falsch, Gräfin, ich liebe Crean wie einen Sohn. Ich habe ihn aufgenommen in der schweren Zeit, als sein Weib erschlagen wurde und er mit seinen be i den Töchtern von Blanchefort fliehen mußte –«
»Wie geht ’ s den beiden?« versuchte Laurence dem G e spräch eine etwas heitere Note zu geben. »Sind sie verhe i ratet?«
»Das kann man so nicht sagen«, schmunzelte Tarik. »Als damals das ganze Elend über die Familie hereinbrach, und der gute alte John sich völlig unfähig zeigte, irgen d welche Initiative zugunsten seines Sohnes zu ergreifen, wandte er sich an mich. Da habe ich die drei erst mal in Persien in Sicherheit gebracht, wo wir herrschen und unser Hauptquartier ist. Crean wurde ja von der Inquisit i on so grimmig verfolgt, daß in christlichen Ländern, also auch in Syrien, seines Bleibens nicht war. Es waren dann seine h e ranwachsenden Töchter, die bei uns zu bleiben wünschten und freiwillig in den Harem unseres Großmeisters gingen –«
»Seltsame Geschöpfe«, erlaubte sich Laurence einz u werfen. »Wie kann eine freie Frau –«
»Wie frei sind Frauen wirklich?« unterbrach sie milde der Kanzler. »Ihr seid eine Ausnahme. Doch sonst? Der Harem gestattet ein Leben in Geborgenheit, Schönheit, Muße – und vor allem ohne Angst vor Vergewaltigung.«
»Außer daß die arme Frau sich ständig bereithalten darf für die Gelüste des Eigentümers, dem sie auch noch Li e be und Leidenschaft vorspielen muß!« empörte sich La u rence.
»Ihr verkennt die Spielregeln eines gut geführten H a rems. Leidenschaft zu entfachen und zu empfinden ist eine erlernbare Kunst – und die Liebe -?« Er lächelte ihr zu. »Sie kommt und geht, Sie ist nicht Sache des Harem. Habt Ihr etwa das Problem der Liebe gelöst?«
In dem Moment traten der alte Turnbull und Crean in den Saal. Während John sich setzte, nahm Crean hinter dem Stuhl seines Kanzlers Aufstellung. Tarik zeigte durch keinen Blick Unmut oder Vergebung.
Dann traf auch Sigbert ein, der sich knapp gegenüber Laurence verbeugte. »Euer Sohn läßt sich entschuldigen. Er ist zum Hafen, um sich um das Schiff zu kümmern!«
»Habt Ihr ihn sprechen können, Sigbert?«
»Ohne das gewünschte Ergebnis: Hamo will sich seine Hände wohl
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