Gralszauber
auf dem Weg dorthin einige Höfe und Gasthäuser,
in denen Uther und sein Gefolge vielleicht einkehren würden, sodass Dulac sich gute Chancen ausrechnete, sie spätestens dort einzuholen. Er hatte sich vorgenommen, nicht
länger als bis zum Mittag zu marschieren und spätestens
dann kehrtzumachen, um pünktlich bei Sonnenuntergang
wieder in der Stadt zu sein. Eine ganz leise Stimme in seinem Kopf beharrte hartnäckig auf der Frage, was er hier
eigentlich tat – es war schon ziemlich verrückt, einen ganzen Tagesmarsch in Kauf zu nehmen, nur um Gwinneth
noch einmal zu sehen und sich von ihr zu verabschieden.
Dulac weigerte sich einfach ihr zuzuhören.
Es sollte ohnehin anders kommen.
Dulac war vielleicht eine Stunde unterwegs. Der Weg
schlängelte sich am Ufer eines schlammigen Sees entlang
und war an dieser Stelle sehr schmal. Zur Rechten erhob
sich ein dichter Wald, aus dem noch ein Hauch der zurückgebliebenen Nachtkälte herüberwehte, und dicht vor
ihm machte der Weg einen scharfen Knick, der Dulac
möglicherweise das Leben rettete. Er ging mit gesenktem
Blick, weil die Sonne noch tief stand und ihr Licht seine
Augen blendete, aber auch weil er hoffte, in dem weichen
Boden möglicherweise Spuren zu entdecken.
Er sah nichts, aber er hörte plötzlich Stimmen und das
Getrappel von Pferdehufen und irgendetwas daran …
warnte ihn.
Dulac blieb stehen. Sein Herz begann zu klopfen. Er
konnte das Gefühl nicht begründen, aber er spürte ganz
deutlich, dass dort vorne eine Gefahr auf ihn zukam.
Dulac sah sich hastig um. Der nahe liegende Gedanke
war, sich im Unterholz zu verbergen, aber das Gestrüpp
war an dieser Stelle so dicht, dass ein Durchkommen unmöglich schien; jedenfalls nicht ohne Spuren zu hinterlassen. Also wandte er sich zur anderen Seite, zum Wasser
hin. Der See war nicht sehr groß, aber am Ufer wuchs
dichtes und fast mannshohes Schilf, in dem er sich verbergen konnte … Schnell, aber trotzdem sehr vorsichtig, um
das Schilf nicht zu knicken, watete er ins Wasser und ließ
sich in die Hocke sinken.
Keinen Augenblick zu früh. Zwei, dann drei und
schließlich vier Reiter bogen auf den Weg ein, schwarze
Schatten gegen das grelle Sonnenlicht, die Dulac in seiner
Aufregung wie leibhaftige Dämonen erschienen, die direkt
aus der Hölle gekommen waren. Hätte er auch nur einen
Atemzug länger gewartet, dann wären sie buchstäblich
über ihn gestolpert.
Der vorderste Reiter ließ sein Pferd noch ein paar Schritte weiter traben, dann hielt er an und legte lauschend den
Kopf auf die Seite. Auch die anderen Männer zügelten
ihre Tiere und der Reiter zu seiner Rechten fragte: »Was
hast du?«
»Nichts«, antwortete der Fremde in einer Tonlage, die
das genaue Gegenteil behauptete. »Ich dachte, ich hätte
etwas gehört. Aber anscheinend habe ich mich getäuscht.«
Dulac ließ sich noch weiter ins Wasser sinken, bis seine
Knie den schlammigen Grund des Sees berührten. Er war
sicher, dass er hinter dem Schilf vollkommen unsichtbar
war – aber wenn er die Nähe der Reiter gespürt hatte, wieso sollten sie nicht umgekehrt spüren, dass sie beobachtet
wurden?
»Vielleicht sollten wir besser hier warten«, antwortete
der andere Reiter. »Der Wald gibt uns Deckung. Ich
möchte dem König doch nicht die Überraschung verderben.«
Er lachte rau, stieg vom Pferd und schlug die Kapuze
seines schwarzen Mantels zurück. Dulacs Herz begann so
heftig zu pochen, dass er für den Moment felsenfest davon
überzeugt war, das Geräusch müsse noch auf dem Weg zu
hören sein.
Es war Mordred.
Obwohl Dulac ihn nur einmal kurz gesehen hatte und er
nun andere Kleider trug, erkannte Dulac ihn sofort. Plötzlich war er sehr, sehr froh, auf seine innere Stimme gehört
zu haben. Mordred hatte auch umgekehrt ihn nur einen
Augenblick lang gesehen und wahrscheinlich hatte er sich
nicht die Mühe gemacht, sich das Gesicht eines Küchenjungen einzuprägen. Aber nach allem, was er über Mordred gehört hatte, würde er auch nicht zögern, ihm schon
aus reiner Vorsicht den Hals durchzuschneiden.
»Ich hoffe, dieser verdammte Bengel kommt auch«,
knurrte der Reiter, der zuerst gesprochen hatte. Zusammen
mit den beiden anderen Männern stieg auch er vom Pferd
und schlug seinen Mantel zurück. Er hatte ein breites, sehr
kantiges Gesicht, das fremd, aber nicht unbedingt unsympathisch wirkte, schwarzes Haar und sehr helle, stechend
blaue Augen. In seiner Stimme war ein leiser Akzent zu
hören,
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