Gralszauber
auch der Ausdruck auf Uthers Gesicht war … seltsam. Die Freude auf
seinen Zügen war echt, aber da war auch noch etwas anderes. »Artus«, sagte er.
»Uther, alter Freund«, erwiderte Artus. »Ich kann nicht
sagen, wie erleichtert ich bin, Euch unversehrt zu sehen –
Ihr seid doch unversehrt?«
»Ja«, antwortete Uther. »Alles, was verletzt wurde, ist
mein Stolz.« Sein Gesicht verfinsterte sich. »Ich habe versucht Mordred zu bezwingen. Vor zwanzig Jahren wäre es
mir gelungen.«
»Und in weiteren zwanzig Jahren wird jemand kommen,
der Mordred bezwingt«, fiel ihm Artus ins Wort. »Und
mich. So ist der Lauf der Zeit.«
»Ich weiß«, antwortete Uther. »Aber muss es mir gefallen?«
Artus lachte, kurz und sehr hart. »Nein«, sagte er, »erzählt.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, antwortete Uther leise. »Mordred und seine Barbarenkrieger haben uns überfallen. Meine Krieger haben sich tapfer gewehrt, aber sie
wurden niedergemacht. Und auch ich wäre gestorben, wäre dieser fremde Ritter nicht gekommen.«
»Der Silberne Ritter?«, fragte Parzifal.
Uther hob die Schultern. »Er hat seinen Namen nicht
genannt«, sagte er. »Genau genommen hat er gar nicht
gesprochen, glaube ich. Mordred und seine Krieger hatten
mich eingekreist. Sie hätten mich töten können, aber Mordred wollte wohl noch ein wenig mit mir spielen. Plötzlich
tauchte dieser Fremde auf. Er fuhr wie der Leibhaftige
unter die Angreifer. Nie zuvor habe ich einen Mann so
kämpfen sehen. Er tötete die meisten Pikten.«
»Ich weiß«, sagte Artus. »Wir haben ihre Leichen gefunden. Einige im Gasthaus und noch mehr im Wald. Und
er war allein? Ganz allein?«
»Ganz allein«, bestätigte Uther. »Die meisten Pikten
flohen bei seinem bloßen Anblick. Er hätte auch Mordred
getötet, hätten sich nicht etliche Pikten für ihn geopfert.«
»Also ist Mordred entkommen«, vergewisserte sich Artus. Seine Stimme war vollkommen ausdruckslos.
»Er ist verletzt«, antwortete Uther. Er zögerte einen
Moment und hob dann die Schultern. »Ich mag mich irren,
aber ich habe das Gefühl, dass er ihn nicht töten wollte.«
»Wie sonderbar«, sagte Parzifal stirnrunzelnd und Leodegranz fügte hinzu: »Warum sollte er sein Leben riskieren und Mordred dann entkommen lassen? Ihr kennt Mordred so gut wie ich, Uther. Er wird diese Niederlage nicht
auf sich beruhen lassen.«
Artus machte eine unwillige Geste. »Fragen über Fragen. Wir werden sie klären, aber nicht jetzt. Im Moment
zählt einzig, dass Ihr am Leben seid, mein alter Freund.
Und natürlich Eure Gemahlin. Lady Gwinneth geht es gut,
hoffe ich doch?«
Uther zögerte einen Augenblick. »Sie ist unverletzt«,
antwortete er, »aber sie hat große Angst ausgestanden. Ich
möchte im Moment –«
»Ich verstehe«, unterbrach ihn Artus. Seine Stimme war
kühler geworden, aber er lächelte. »Es ist im Augenblick
auch nicht so wichtig. Alles, was zählt, ist, dass Ihr am
Leben seid und in Sicherheit.« Er machte eine weit ausholende Geste. »Wir kehren zurück nach Camelot. Dort seid
Ihr erst einmal in Sicherheit und könnt Euch von den Strapazen und der Aufregung erholen. Wir können später über
alles reden.«
Uther nickte. Er sagte nichts, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht war eindeutig. Artus’ Einladung war keine
Einladung – aber welche Wahl hatte er schon?
»Gawain, Parzifal«, sagte Artus, »ihr begleitet mich auf
dem schnellsten Weg zurück nach Camelot.« Er hob die
Stimme. »Ihr anderen seid mir jeder persönlich dafür verantwortlich, dass König Uther und seine Gemahlin unversehrt nach Camelot kommen. Und schickt Boten in alle
befreundeten Königreiche! Ich fürchte, wir stehen vor einem Krieg mit den Pikten!«
Der Rückweg nach Camelot kam ihm endlos vor, obwohl
er ihn im Gegensatz zum Hinweg nicht zu Fuß hinter sich
bringen musste. Keiner von Uthers Männern hatte das
Gemetzel überlebt, das die Pikten angerichtet hatten, und
auch etliche Barbarenkrieger waren hinterher dem Schwert
des Silbernen Ritters zum Opfer gefallen, sodass kein
Mangel an überzähligen Pferden bestand und Dulac wie
alle anderen reiten konnte. Artus hatte ihm einen Platz
ganz am Ende der Kolonne zugewiesen, von dem aus er
Uther – und vor allem Gwinneth! – nicht sehen konnte,
und zu seiner großen Enttäuschung wurden Artus’ Gäste
auch sofort in ihre Gemächer geführt, als sie die Burg erreichten.
Von diesem Wermutstropfen einmal abgesehen war Dulac jedoch beinahe froh,
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