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Gralszauber

Titel: Gralszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dazu kommen. Als er
die Leiter zum Heuboden hinaufstieg, hörte er ein Rascheln und Wolf sprang freudig kläffend an ihm empor
und begann ihm die Hände abzulecken. Dulac spürte leise
Gewissensbisse: Er hatte den Hund den ganzen Tag über
nicht gesehen und auch nicht einen einzigen Gedanken an
ihn verschwendet. Er ging in die Knie, strich Wolf mit der
Hand über den Kopf und sagte: »Nicht so laut, mein Kleiner. Du weckst am Ende noch Tander auf und der lässt uns
beide dann die Sterne am Himmel zählen oder die Pflastersteine auf der Straße.«
    Wolf winselte leise, fast als hätte er die Worte verstanden, rannte zurück zu dem Heuhaufen, aus dem er herausgekommen war, und begann erneut zu kläffen.
»Wolf, still!«, sagte Dulac scharf.
    Wolf bellte nur noch lauter und Dulac verdrehte die Augen. Wolf würde nicht eher Ruhe geben, bis er seinen Willen hatte, und die einzige Alternative war, ihn so lange
bellen zu lassen, bis Tander tatsächlich wach wurde und
herkam – und dann war an Schlaf in dieser Nacht garantiert nicht mehr zu denken.
    Er streckte die Hand nach dem Hund aus, aber Wolf
wich vor seiner Berührung zurück und verschwand im
Stroh. Er machte es ihm wirklich nicht leicht.
    Dulac seufzte noch tiefer, grub mit den Händen im Stroh
– und riss ungläubig die Augen auf.
Statt eines kleinen schwanzwedelnden Hundes förderte
er das silberfarbene Schulterstück einer Rüstung zutage.
Es blieb nicht bei diesem einen Teil.
Dulac wühlte weiter im Stroh und grub nach und nach
eine komplette Rüstung aus – die silberne Rüstung, die er
im See gefunden hatte.
Sein Herz klopfte. Wie kam sie hierher? Wer hatte sie
hergebracht und vor allem warum?
Dulacs Müdigkeit war wie weggeblasen. Mit zitternden
Fingern nahm er ein Stück nach dem anderen in die Hände. Er hatte viele Rüstungen, Schwerter und Schilde gesehen, aber noch nie etwas derart Prachtvolles. Das Metall
hatte einen Farbton, der tatsächlich mehr nach Silber als
nach Eisen aussah, und trotz der langen Jahre, die sie im
Wasser gelegen hatte, hatte sie nicht den geringsten Kratzer. Schild, Brustharnisch und Helm waren fein ziseliert
und auch der Griff des Schwertes war mit einem kunstvollen, unglaublich feinen Muster verziert.
Das meiste davon waren scheinbar sinnlose Linien und
Symbole, die wohl zur Zierde dienten, aber ein ganz bestimmtes Motiv tauchte immer wieder auf – groß auf
Brustharnisch und Schild, etwas kleiner auf den Handschuhen und den Ellbogen- und Knieschützern: das Abbild
eines prachtvollen Kelches, der Dulac auf seltsame Weise
bekannt vorkam, auch wenn er nicht gleich wusste, wieso.
Doch nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte,
glaubte er dieses Symbol zu erkennen. Diese Rüstung
musste einem unglaublich edlen und vor allem reichen
Ritter gehört haben und die meisten Edelleute pflegten
ihre Rüstungen mit religiösen Motiven zu verzieren; den
Symbolen des neuen Glaubens, der die alten Götter immer
schneller und schneller verdrängte. Vermutlich handelte es
sich bei der Darstellung dieses Kelches um nichts anderes
als den Heiligen Gral, jenen sagenumwobenen Becher, aus
dem Gottes Sohn selbst getrunken und seinen Jüngern das
letzte Abendmahl erteilt haben sollte, und den seither jeder
Ritter und jeder Abenteurer auf der Welt suchte. Auch
etliche von Artus’ Rittern führten den Heiligen Gral in
Schild und Wappen, wenn auch nicht so deutlich, wie es
bei dieser Rüstung der Fall war.
Zögernd zog Dulac die Waffe aus ihrer Scheide. Auf der
Klinge schimmerten fremdartige Runen, Buchstaben in
einer Schrift, die Dulac nicht lesen konnte, die ihm aber
sonderbar vertraut vorkamen.
Das Schwert war nicht besonders groß. Die Klinge war
nicht viel länger als sein Unterarm und kaum breiter als
drei nebeneinander gelegte Finger. Der Griff lag so perfekt
in seiner Hand, als wäre das Schwert eigens für ihn angefertigt worden, und sein Gewicht war kaum zu spüren.
Dafür fühlte Dulac etwas anderes, etwas durch und
durch Unheimliches: Mit einem Mal war es ihm, als höre
er ein Wispern und Raunen, helle Stimmen, die in einer
zugleich fremden wie vertraut anmutenden Sprache redeten, und dann sah er
blitzenden Stahl, der mit einem schaudernd machenden
Laut durch die Luft pfiff
Augen, die sich mit Erstaunen und dann mit jäher Todesangst füllten
Fleisch, das mit einem grässlichen Laut von Stahl
durchschnitten wurde
spritzendes Blut und gellende Schreie, Männer, die entsetzt ihre Waffen

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