Gralszauber
Feinde und abgesehen von der ersten Stunde
nach dem Verlassen der Stadt auf gar keine Menschen
mehr.
Der Trauerzug hatte sich zuerst nach Norden gewandt,
fast genau in dieselbe Richtung, in die Dulac Tage zuvor
auf dem Einhorn geritten war. Nach etwas mehr als einer
Stunde jedoch änderten sie ihren Kurs ein wenig und ritten
nun zwar immer noch nach Norden, aber auch in westliche
Richtung, sodass sie sich von der Küste weg und mehr ins
Landesinnere bewegten.
Allmählich begann sich ihre Umgebung zu verändern.
Dulac konnte den Unterschied anfangs kaum in Worte
fassen, aber dafür spürte er ihn umso deutlicher. Sie drangen in einen Teil des Landes ein, in dem es keine Menschen gab, aber es war, als spüre er vielmehr die Anwesenheit von etwas Fremdem und weniger die Abwesenheit
von Menschen. Aber vielleicht war es ja etwas, das nur da
war, weil es hier keine Menschen gab.
Dulac versuchte den Gedanken zu verscheuchen. Solcherlei Überlegungen waren nicht nur närrisch, sie führten
auch zu nichts.
Was jedoch blieb, war die Tatsache, dass sie sich tiefer
und tiefer in einen unwirtlichen Teil des Landes hineinbewegten. Ihre Umgebung bestand zum größten Teil aus
Wald- und Sumpfgebieten, die einander abwechselten und
manchmal ineinander übergingen, sodass man kaum sehen
konnte, wo das eine aufhörte und das andere begann.
Auch kam wieder Nebel auf, obwohl weder die Witterung noch die Tageszeit dafür war.
Trotzdem verringerte sich ihre Geschwindigkeit nicht.
Ihr Ziel musste wohl wirklich sehr weit entfernt sein, denn
Artus, der vorausritt, legte ein geradezu halsbrecherisches
Tempo vor. Die Sicherheit, mit der er sein Pferd durch den
Sumpf lenkte, an diesem Busch nach links auswich, um
jenen Baum einen großen Bogen schlug oder scheinbar
sicheren Boden in einigem Abstand umging, machte Dulac
klar, dass er diesen Weg nicht zum ersten Mal nahm.
Sie ritten ohne Pause bis zur Mittagsstunde, ehe Artus
mit sichtlichem Widerwillen das Zeichen zum Anhalten
gab und ihnen eine kurze Rast gestattete, nach der sie weiterritten, um auch noch den Nachmittag im gleichen,
schnellen Tempo zurückzulegen. Als es zu dämmern begann, wurde das Land immer steiniger und härter und der
Boden begann allmählich anzusteigen, sodass sie langsamer vorwärts kamen. Eine Landschaft aus zerschrundenen
Felsen und jäh aufsteigenden Hügeln, die selten eine Höhe
von mehr als zwanzig Metern erreichten und somit nicht
einmal so hoch waren wie die Türme Camelots, aber so
steil und unbesteigbar, dass sie wie ein Gebirge wirkten –
und so abweisend und fremd wie ein Teil einer vollkommen anderen Welt, in der Menschen nicht erwünscht waren.
Diese unheimliche Welt erfüllte die Männer mit Furcht.
Dulac las es deutlich in den Gesichtern seiner Begleiter
und ihm selbst erging es auch nicht viel besser. War ihm
die nebelverhangene Sumpflandschaft, durch die sie einen
großen Teil des Tages geritten waren, noch auf sonderbare
Weise vertraut vorgekommen, so erfüllten ihn die harten
Linien, die schwarzen Schlagschatten und jäh aufklaffenden Abgründe und Spalten mit Angst. Er war sehr froh, als
Artus endlich das Zeichen zum Anhalten gab und sie ihre
Pferde zugehen – was aber nur für Dulac und die anderen
Mitglieder des Begleittrupps galt, nicht für Artus und seine Ritter. Der König lenkte sein gepanzertes Schlachtross
zu ihnen zurück, während Lioness und die vier anderen
Ritter in den Sätteln blieben.
»Schlagt das Nachtlager auf«, befahl Artus. »Wir sind in
zwei, längstens drei Stunden zurück. Entzündet ein Feuer
und stellt Wachen auf. Es gibt wilde Tiere hier und möglicherweise auch Räuber.« Er machte eine abwehrende Bewegung, als Dulac sich wie alle anderen aus dem Sattel
schwingen wollte. »Du nicht. Ich brauche deine Hilfe.
Bereitet ein Mahl vor. Wir werden hungrig sein, wenn wir
zurückkehren.«
Dulac lenkte sein erschöpftes Tier in Artus’ Richtung
und hielt abermals an, als Artus unwillig den Kopf schüttelte.
Zugleich deutete er mit einer herrischen Geste auf das
Packpferd, über dessen Sattel der schlichte Leinensack
gelegt war, der Dagdas sterbliche Überreste enthielt. Dulac verstand. Dazu also brauchte ihn Artus.
Er ritt zurück, ergriff die Zügel des Packpferdes und
machte wieder kehrt um sich Artus anzuschließen. Er hatte
damit gerechnet, dass der König bereits wieder zu Lioness
und den anderen Rittern zurückkehrte, die in zwanzig oder
dreißig Metern Entfernung
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