Gran Reserva
uns. Allerdings mit weniger Skandalen als unser Königshaus. Nämlich gar keinen. Komm, lass uns ein bisschen spazieren gehen. Du hast mir noch gar nicht erzählt, was dich zu mir geführt hat. Es ist wegen einer Frau, oder? Bei dir war immer alles wegen einer Frau. Dein Herz ist zu groß, Max. Auch dein Hirn braucht etwas Blut.« Er packte sich lachend in den Schritt. »Und deine Schlange auch.«
Die Nacht war noch kühler geworden. Sie nahmen die gefüllten Rotweingläser mit und schlenderten durch den Garten, der in einen Weinberg überging.
Sie redeten lange und viel.
»Weißt du schon, was du morgen machen willst?«, fragte Juan.
»Zum Ebro«, antwortete Max. »Mal schauen, was der Fluss so mit sich trägt.«
Das Gästezimmer hatte weder Rollläden noch Vorhänge an den Fenstern, und so piesackten Max die Sonnenstrahlen schon früh. Selbst die über den Kopf gezogene Bettdecke bot keinen Schutz.
Dabei war er erst kurz zuvor völlig erschöpft eingeschlafen. Juan hatte sich Decken in den Garten gelegt, um unter dem Sternenhimmel schlafen zu können, doch Max bevorzugte eine Matratze. Und einen Ort zum Alleinsein. Selbst wenn er nur die Wände anstarrte. Erst als die Vögel bereits sangen, hatte ihn der Schlaf überwältigt.
Nun war er wach, und so tief die Müdigkeit auch saß, an Einschlafen war nicht mehr zu denken. Er trug nur Shorts und T-Shirt, als er in die Küche trat, wo eine sündhaft teure italienische Espressomaschine stand. Gurgelnd ließ er sie eine Tasse für sich bereiten und trat hinaus in den Garten. Juan schlief immer noch. Leise setzte er sich neben ihn ins Gras. Der Duft der gerösteten Bohnen brachte Juan dazu, die Augen zu öffnen.
»Herrlich«, sagte er müde. »Ist der für mich?«
»Jetzt schon«, sagte Max und reichte ihm die Tasse. »Schläfst du immer draußen?«
»Nur wenn mir danach ist. Und meist nicht allein.« Ein verschmitztes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
»Wieso ist eigentlich keine Frau hier? Du hattest doch immer mindestens eine um dich – meistens mehrere.«
»Muss mich von der Letzten erholen.«
Juan war kein klassisch schöner Mann, sein Gesicht war kantig, sein Bart stets ungepflegt, sein Haar immer ungewaschen. Aber seine Ausstrahlung, sein Selbstbewusstsein, dieses vollkommene Mit-sich-im-Reinen-sein wirkte auf viele Frauen unglaublich anziehend.
»Wie spät ist es?«
»Kannst du Naturbursche das nicht am Stand der Sonne ablesen?«, fragte Max und blickte auf seine Uhr. »Gerade mal kurz nach sieben. Ich fahr gleich los zum Ebro.«
»Ohne Frühstück?«
»Mir ist gerade nicht nach Essen. Aber heute Abend lad ich dich in eine Tapas-Bar ein. Logroño soll ja ein paar schöne haben.«
»Oh ja, bestimmt fünfzig auf der Fläche eines Tennisplatzes. Die meisten davon in der Calle del Laurel. Da hat schon Hemingway Tapas gegessen – und nirgendwo in Spanien gibtʼs bessere! Aber einen Scheißdreck wirst du tun und zahlen. Ich lad dich ein – Das ist genau die Farbe, die ich gesucht habe!« Juan zeigte begeistert auf den Himmel, dessen Blau die Sonne immer weiter ausbleichte. »Für das Bild mit meinen Eltern. Das ist es!« Er sprang auf, um Farben, Staffelei und Leinwand herauszuschleppen.
Max griff sich seine alte Lederjacke und hob kurz die Hand zum Abschied.
Der Ebro war kein angeberischer Fluss. Er protzte nicht mit seiner Kraft und Größe, floss ganz gemächlich dahin und teilte das Weinbaugebiet in drei Teile auf. Rioja Alta im Süden, Rioja Baja im Osten sowie Rioja Alavesa, der baskische Teil, im Norden. Alta, das war der beste Boden – glaubte man den Bodegas und Weinbauern, die dort Besitz hatten.
In Alavesa, mit seinen nach Süden ausgerichteten, kalkhaltigen Weinbergen, reifte die Tempranillo-Traube mit dünneren Schalen heran, was zu besonders schönen Fruchtnoten im Wein führte, der schon früh trinkbar war. In Alta, dem mit Abstand größten Gebiet Riojas, wuchs die Schale dicker, die Weine wurden langlebig, aber auch eleganter, mit weniger Alkohol. In Baja ergaben die fruchtbaren Schwemmböden dunkle, alkoholreiche Weine aus der Garnacha-Traube. Die besten Kellermeister wussten aus diesen unterschiedlichen Variationen ein neues Ganzes zu schaffen, das viel mehr war als die Summe seiner Teile. Zwischen all der heißen Kargheit wirkte der Fluss wie ein gütiger Wanderer, der stets einen Schluck kühlendes Wasser mit sich führte. Doch heute, das wusste Max, trug er auch den Tod in sich.
Max hatte sich gefragt, wo die Strömung
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