Gran Reserva
kompliziert.«
»Alle Frauen sind…«
»Unterbrich mich nicht. Ich hab Angst vor Autobahnen, Flügen, Schiffen, Seilbahnen.«
Wie wunderbar, dachte Max. Sie ist verrückt. Wunderbar verrückt.
»Na, und? Ich vor Spinnen.«
»Ich bin Löwin, Max.«
»Und was bedeutet das?«
»Es ist eine Warnung. Ich bin impulsiv, ungeduldig, eifersüchtig, und ich fluche beim Autofahren wie eine mexikanische Straßenhure. Wenn ich nachts nicht schlafen kann, rücke ich alle Möbel um. Auch im Hotel. Oder wenn ich wo zu Besuch bin. Egal. Und ich will immer das letzte Wort haben. Nein, falsch. Ich habe immer das letzte Wort. Ich bin keine ganz harmlose Löwin.«
»Die sind mir am liebsten«, sagte Max mit einem Lächeln. »So lange sie süß sind.«
»Das steht ja wohl außer Frage!«
»Das tut es«, sagte Max. Denn so war es.
Er kam einen Schritt näher. Sie wich nicht zurück. Ihre dunkelbraunen Augen, er wollte ganz tief in sie blicken.
»Was ich damit sagen will, Max: Ich bin schwierig.«
»Schwierig ist gut.«
»Nein, schwierig ist schwierig. Kein Puderzucker drüber. Ehrlich sein. Und alles auf Augenhöhe.«
»Auf Augenhöhe. Anders würde ich es nicht wollen.«
Es fühlte sich an, als würden sie einen Pakt aushandeln. Er hätte sie am liebsten sofort umarmt. Doch sie wirkte wie eine Bombe, die noch nicht vollends entschärft war, einige Drähte mussten noch durchgeknipst werden. »Du bist eine starke Frau.«
»Aber ich will auch mal schwach sein dürfen. Jemanden neben mir haben, der stark ist, mich anlehnen können. Wenn du eine starke Frau suchst, such dir eine andere.«
»Ich suche sowieso nicht, ich finde. Können wir nicht einfach schauen, wie sich alles entwickelt?«
»Ich lasse eigentlich immer alles auf mich zukommen. Ohne Erwartungen. Aber bei dir fällt mir das irgendwie schwer.«
»Bist du fertig? Ich küsse dich jetzt.«
»Warte …«
»Ich muss dich jetzt küssen.«
Er küsste sie. Diesmal nahm er sich Zeit. Am Anfang fanden ihre Lippen noch nicht richtig zueinander, es war eher ein stürmisches Abtasten, aber mit der Zeit erspürten sie ihren Rhythmus. Der Kuss war köstlich, besser als jeder Gran Reserva.
Als Max wieder sprechen konnte, sah er sie an und musste lächeln. Einfach nur lächeln. Und Cristina ging es genauso.
Dann küssten sie sich ein zweites Mal. Ihre Lippen fanden zueinander, als wären sie seit Jahren aneinander gewöhnt.
Es folgten noch weitere Küsse – bis Juan räuspernd in der Tür stand und auf seine Armbanduhr deutete. »Die machen bald zu.«
»Wer?«, fragte Cristina.
»Francino. Kommst du mit?« Max hielt ihr Gesicht in Händen und hatte Mühe, sie nicht gleich wieder zu küssen.
»Was?«
»Ich muss da jetzt hin.«
»Das Haus des Antichristen betrete ich nicht. Aber wenn wir uns heute Abend treffen, dann können wir uns weiter…unterhalten.«
Als sie weg war, blieb ihr Geschmack auf seinen Lippen. Ohne dass er es merkte, fuhr er mit den Fingerspitzen darüber.
Es fiel Max schwer, sich während der Fahrt auf die Inkognito-Recherche zu konzentrieren, anstatt an Cristina, ihre Lippen und den bevorstehenden Abend zu denken. Mit Willenskraft versuchte er, seinen Herzschlag wieder in den Ruhepulsbereich zu senken. Max blickte auf das Regenradar seines Handys. Weit und breit nicht mal ein Fetzen Wolken in Sicht. Rioja war trocken wie die Wüste. Und plötzlich sehnte er sich nach Köln, das immer genug Wasser hatte und ab und an sogar generös vom Rhein überschwemmt wurde. Köln. Er liebte die Stadt. Trotz ihrer vernarbten Häuserschluchten, ihrer Lokalbesoffenheit, ihrer Parkplatznot. Denn sie hatte auch den Rhein, den Dom, den Grüngürtel, großartige Blutwurst und stets ein frisch gezapftes Kölsch.
Max blickte hinaus auf die vorbeiziehende Landschaft.
Kein Rhein, kein Dom – und erst recht kein Kölsch.
Juan döste neben ihm, das hatte er früher schon getan, während ihrer Studienzeit. Egal, ob in Auto, Flugzeug oder Bahn, Juan schlief. Er meinte, es käme davon, dass seine Mutter ihn als Baby jeden Abend in den Schlaf gewiegt hatte. Der Rhythmus sei seitdem in seinem Blut.
Als Max den Wagen vor der Bodega Francino parkte, wachte Juan erfrischt wieder auf.
»Sind wir schon da?«
Max antwortete nicht. Sein Mund stand vor Staunen offen. In einem Micky-Maus-Comic hätten Vögel jetzt ein Nest darin gebaut. Francino sah aus, wie sich jeder Reiseveranstalter ein spanisches Weingut wünschte. Don Quijote und Sancho Pansa hatten darin sicher bereits
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