Gran Reserva
Leiche weggeschafft haben.«
»Und hat nichts der Polizei erzählt.«
»Noch nicht. Vielleicht erpresst er Cristina bereits.«
»Okay, du musst sie doch anrufen. Aber nur deshalb. Die Hand ein Stück nach links. Jaaaa, genau so.«
Der Kater schlug mit der Pfote in Richtung Leckerli, doch sie war zu kurz. Er maunzte wütend.
»Das wächst mir alles über den Kopf, Juan. Ich bin hierhergekommen, um ihn wieder freizukriegen. Mich zu finden – falls es da noch was zu finden gibt. Und Wein zu trinken, Gran Reserva, je mehr und je animalischer, desto besser.«
»Dreh mal die Mülltonne ein wenig, sodass die Kante zu mir schaut. Und pass auf, dass die Katze dabei nicht … zu spät. Hol dir ein neues Leckerli. Ich hol uns animalischen Wein.«
Als Max mit einem neuen Leckerli zurückkehrte, verteilte Juan Farbe dunkel wie Blut mit dem Spachtel auf der Leinwand. Er schien in seiner roten Phase zu sein.
»Der Täter kann aus dem Weingut selbst stammen – oder aus einem anderen.« Juan verschwand kurz und kam mit einer Flasche Wein zurück, deren Etikett er mit der Hand verdeckte. »Nicht nur die Chinesen kopieren.«
»Was meinst du damit? Weinfälschung?«
»Nicht so plump. Eher eine Art Camouflage. Die Bodegas Faustino sind extrem erfolgreich, weltweit, das Etikett kennt man. Was, wenn nun ein Etikett fast genauso aussieht und auf dem Wein statt Faustino…sagen wir Claustino draufsteht. Würden die Leute das merken oder den Wein trotzdem kaufen? Vielleicht ist er sogar billiger als das Original.«
»So was gibtʼs?«
»Was denkst du?«
»Okay, dann bestimmt.«
Er nahm die Hand vom Etikett: Bodegas Francino. »Denen käme es zupass, wenn Faustino einen kleinen Skandal hätte, weil dann einige Großhändler auf ihren Wein umsteigen würden. Wenn ich Faustino an den Karren pinkeln wollte, dann würde ich vielleicht kurz vor dem Königsbesuch eine Leiche bei ihnen deponieren.«
»Ist das nicht sehr drastisch?«
»Gehtʼs der spanischen Wirtschaft gut?«
»Hörst du langsam mal auf mit den rhetorischen Fragen? Und ist das Bild endlich fertig? Mein Arm wird lahm.«
»Guckʼs dir an.«
Max trat zur Staffelei.
Er konnte keine einzige Katze erkennen.
Es sah noch nicht mal nach einem Tier aus.
Max hätte auf Traktor getippt.
Allerdings einen mit Fell.
Exportmanager Pepe Salinas hatte heute keine Zeit für ihn. Und, nein, morgen auch nicht. Die Vinexpo wollte vorbereitet werden und auch die Vinitaly, wichtige Geschäftskunden warteten, gerade war es sehr schlecht, leider, ein andermal gern, oh, da klingelte das Handy, er musste ran, ganz dringend, auf Wiederhören.
Danach hob Salinas nicht einmal mehr ab.
Juan sah Max an. »Er hat den Braten gerochen, oder?«
»Noch bevor ich ihn fragen konnte, ob er Zeit für mich hat.«
»Aber er kann doch gar nicht wissen, dass du ihn gesehen hast.«
Max zündete sich eine Zigarette an, wobei ihn Yquem vorwurfsvoll ansah. »Ich bin mir bei gar nichts mehr sicher.«
Juan mischte einen neuen Grünton auf seiner Palette zusammen. »Vielleicht hat Cristina recht, und du solltest es sein lassen.«
»Nein, es schnürt mir den Hals zu, aber ich hab zum ersten Mal im Leben das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Das ist zur Abwechslung ganz schön. Und es lenkt mich ab von…«
»… dem, was du zurückgelassen hast. Deiner Esther, Freunde, Familie.«
Auf Maxʼ Gesicht erschien ein gequältes Lächeln. »Danke, dass du mich daran erinnerst. Kommst du mit zu Francino? Du kannst mein Assistent sein.«
Juan zog die Augenbrauen empor. »Ein Traum wird wahr.«
»Siehste. Dann trag mal meine Kameratasche.«
Max hatte gerade seine Utensilien eingepackt, als Bewegung in die im Haus schlummernde Katzenmeute kam. Nicht, weil es nun Futter gab, sondern weil an der Tür des sparsam möblierten Gästezimmers etwas ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.
Dort stand Cristina.
Er hatte ihr in der Nacht, als sie die Leiche in den Ebro warfen, von seinem Quartier bei Juan erzählt. Sie hatte es anscheinend nicht vergessen.
Ihre Wangen waren röter als sonst.
»Da ist was zwischen uns, oder? Ich weiß nicht, was, aber da ist was.«
Die Katzen versammelten sich um Cristina, als wäre sie ein wärmendes Feuer im kalten Winter. Eine große Katze wedelte sogar mit dem Schwanz.
Wedelte mit dem Schwanz?
Max sah genauer hin. Es war ein Hund. Straßenkötermischung.
War ihm noch nie aufgefallen.
»Ist da was, Max?«
»Ja, da ist was.«
Sie kam einen Schritt näher. Nur einen.
»Ich bin
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