Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gran Reserva

Gran Reserva

Titel: Gran Reserva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
Bett. Yquem hob nicht mal den Kopf.
    Juan war in Bilbao, um mit dem Kurator die Hängung seiner großformatigen Werke zu besprechen. Er hatte Max netterweise ein Frühstück vorbereitet – doch das hieß in Spanien leider nicht viel. Das Desayuno war in der Regel karg, und viele Spanier nahmen es in einem Café ein. Es bestand meist aus einem Kaffee und einem Gebäckstück, manchmal auch nur aus ein paar Keksen. Eine Variante, die anscheinend auch Juan bevorzugte. Max hätte ein paar Churros und eine heiße Schokolade vorgezogen, doch das servierte man hier leider nur an Festtagen.
    Und heute war ganz offensichtlich keiner.
    Er griff sich im Kühlschrank noch etwas Manchego-Käse und Chistorra, eine Paprikawurst aus Navarra. Erst dann gab sein Magen das Signal, der Tag könne beginnen. Da gab Yquem plötzlich neben ihm das Signal, dass auch er etwas Manchego und Chistorra gebrauchen könnte. Max kam dem verständlichen Wunsch nach, woraufhin sich immer mehr und mehr von Juans Katzen um ihn versammelten – bis sowohl Käse als auch Wurst komplett aufgefuttert waren.
    Bevor er losfuhr, blickte Max mal wieder auf das Regenradar. Nach zwei Wochen in der spanischen Hitze sehnte er sich fast schon wieder nach einem ordentlichen, deutschen Regenschauer. La Rioja blieb jedoch weiterhin so trocken wie die Wüste Gobi. Und was sagte seine Sekundenmeditation? »Heute lasse ich mich sein.«
    Darüber musste er tatsächlich nachdenken.
    Oder sollte er das besser sein lassen?
    Oh, die Sekunde war schon vorbei …
    Aber Max dachte trotzdem auf der ganzen Fahrt bis zu den Bodegas Faustino darüber nach. Ließ er sich hier in Spanien endlich so sein, wie er wirklich war? Oder gelang es einem nur dann, wirklich man selbst zu sein, wenn man alles sein ließ, was einen daran hinderte, all das Denken, all das Festhalten an Gewohntem, und so lebte, wie das Herz es wollte? Der stärkste Muskel im menschlichen Körper.
    Als Max bei Faustino ankam, bemerkte er sofort eine Veränderung. Vor dem Gebäude standen so viele Sicherheitskräfte, als lagerten die Goldreserven des ganzen Landes hier. Das spanische Fort Knox. Die schwarz gekleideten Männer und Frauen hielten Maschinengewehre in den Armen.
    Selbst Straßensperren wurden errichtet. Unwillkürlich hielt Max nach Selbstschussanlagen Ausschau, doch diese Befürchtung bestätigte sich zum Glück nicht.
    Am Portierhäuschen vor dem Besucherparkplatz trat ein Bewaffneter von links, ein anderer von rechts neben seinen Mietwagen, die MGs im Anschlag.
    Max kurbelte das Fenster herunter.
    »Ihren Ausweis, bitte.«
    Er zog ihn aus seinem Portemonnaie und reichte ihn durchs Fenster. Der Mann sah ihn sich an, ging ins Portierhäuschen, Licht blitzte auf wie von einem Fotokopierer, dann kehrte er zurück und gab ihn Max wieder.
    »Jetzt noch Ihren Angestelltenausweis von der Bodega, bitte.«
    »Hab ich keinen.«
    »Dann muss ich Sie bitten, das Gelände umgehend zu verlassen.«
    »Was ist denn heute hier los? Der König kommt doch erst nächste Woche!«
    »Ich muss Sie eindringlich bitten, das Gelände jetzt zu verlassen!« Er nickte seinem Kollegen auf der Beifahrerseite zu, der den Lauf seines Gewehrs nun auf Max richtete.
    »Sie werden mich ja wohl nicht erschießen, nur weil ich hier mit meinem Wagen stehe. Das dürfen Sie ja überhaupt nicht!«
    Der Bewaffnete zog die Augenbrauen empor. »Darf ich fragen, woher Sie wissen wollen, was wir dürfen? Roberto, überprüfe die Personalien bei der Polizei. Und Sie bewegen sich nicht, Hände vom Steuer!«
    Max dachte kurz darüber nach, zurückzusetzen, aber das in seine Richtung zielende MG hielt ihn davon ab.
    Emilio Valdés von der örtlichen Policía würde sich bestimmt sehr freuen, ihn wiederzusehen. Am Arbeitsplatz des zweiten Opfers…
    Sollte er nicht doch zurücksetzen und schleunigst davonbrausen? Sollte er es versuchen?
    Seine Hand schloss sich um den Zündschlüssel, seine Füße näherten sich Kupplung und Gaspedal.
    Er würde es versuchen.
    Was konnte schon passieren?
    Sie würden ja wohl nicht auf ihn schießen.
    Gut, es waren junge, vielleicht unerfahrene Sicherheitskräfte, aber … sie würden nicht schießen.
    Er musste nur warten, bis der Mann kurz wegschaute und ihm auf diese Weise eine Sekunde verschaffte.
    Der Bewaffnete wurde von seinem Kollegen gerufen und schaute auf.
    Max spannte die Muskeln in seiner rechten Hand an.
    »Herr Rehme? Was machen Sie denn hier?« Eine weibliche Stimme. »Heute ist es aber schlecht für

Weitere Kostenlose Bücher