Gran Reserva
Fotos!« Max konnte sie nur von hinten sehen, jetzt sprach sie mit dem Sicherheitsbeamten. »Er ist persönlich bekannt und darf hier sein. Ein Mitarbeiter unserer Bodega, aber ein freier, deshalb steht er auch nicht auf der Liste. Ich kümmere mich darum. Danke!«
Das Danke war in Wirklichkeit ein freundliches, aber bestimmtes »Und jetzt verziehen Sie sich – aber zackig!«.
Maxʼ Hand entspannte sich.
Seine Retterin drehte sich um, und ihr Gesicht war keine Überraschung für ihn: Ines Sastre. Auf ihrem Namensschild stand allerdings eine andere Stellenbeschreibung als beim letzten Mal: Exportmanager.
»Was soll das hier alles?«, fragte Max.
»Ein Testlauf«, erklärte Ines und beugte sich durch das geöffnete Fenster in den Wagen. »Gerade wird der König – ein Statist – durch die Bodega geführt.« Sie blickte auf ihre silberne Armbanduhr. »In diesem Moment müssten sie im Fasskeller eintreffen, wo der König eine kurze Rede halten wird. Dann geht es zum Essen, das im extra dafür hergerichteten Saal stattfinden wird. Gegessen wird übrigens wirklich – damit auch die Küche einen Testlauf hat.«
»Und warum sind Sie nicht dabei?«
»Durch Pepes Tod ist viel Arbeit liegen geblieben, die dringend erledigt werden muss. Eine Statistin hat meine Rolle übernommen. Sie kennen Sie, Cristina. Ihr Großvater gibt übrigens den König. Er macht seine Sache sehr gut. Äußerst würdevoll.« Ines machte vor, wie Iker schritt. Es sah einem Storch sehr ähnlich. »Ich weiß nicht, ob es angebracht ist, Ihnen zur Beförderung zu gratulieren?«
Ines atmete lange durch, dann schob sie sich einen Zahnpflegekaugummi in den Mund. »Das hat mich total überrollt…«
»War denn nicht abzusehen, dass diese Aufgabe nach Salinas Tod auf Sie zukommen würde?«
»Doch, schon… Ich wollte seine Stelle ja auch… aber nicht so, unter diesen Umständen…, sondern weil ich besser bin, verstehen Sie? Was meinen Sie, was jetzt geredet wird? Als Frau hat man es sowieso schon nicht leicht in einer Führungsposition.«
»Und Sie haben ja gleich zwei von Pepe übernommen.«
Ihr Blick verengte sich. »Stimmt, die Leitung des Organisationskomitees der Batalla del Vino. Das wissen Sie auch schon? Ich hab das gar nicht gewollt. Es ist nur kommissarisch, und eigentlich habe ich gar keine Zeit dazu.«
»Sie stammen aus Haro?«
Ines nickte.
»Und, wenn ich das fragen darf, in welcher Verbindung stehen Sie zum Bürgermeister?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie erstaunen mich, wirklich. Sie scheinen sehr gut informiert zu sein. Der Bürgermeister ist ein guter Freund.« Sie trat noch einmal näher ans offene Fahrerfenster. »Ich sehe, wie sich die Räder in Ihrem Kopf drehen. Aber sie drehen sich in die falsche Richtung, Señor Rehme. Raten Sie mal, wer gerade meinen alten Job bekommen hat? Eine Person, die es schon seit Jahren auf diese Position abgesehen hatte. Sie kennen Cristina doch, oder?«
»Ich dachte, sie sei noch in der Probezeit?«
»Hat sie Ihnen das erzählt?« Ines lachte auf. »Seit sie die Schule beendet hat, arbeitet sie schon bei der Grupo Faustino. Von Probezeit kann da schon lange keine Rede mehr sein!«
Die Räder in Maxʼ Kopf drehten sich mit einem Mal tatsächlich etwas anders. Und das gefiel ihm gar nicht.
»Kann ich rein?«
»Nein. Erst wenn der Test-König wieder abgereist ist.«
»Und wann wird das sein?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wer weiß schon, wie lange der König speisen wird. Ich werde Cristina sagen, dass Sie da waren. Sie hat ja sicher Ihre Handynummer …«
Mit einem Nicken verabschiedete sie sich.
Sofort standen die Sicherheitsbeamten wieder neben seinem Wagen.
Sie mussten nichts sagen.
Max setzte zurück.
Der Himmel über La Rioja strahlte in sattem Pelikan-Blau, die Sonne leuchtete darin wie ein Klecks Tipp-Ex. Beim Fahren schaute Max immer wieder zu ihr empor, bis sie sich rot auf seiner Netzhaut abzeichnete.
Fast übersah er den 5er BMW, der sich am Straßenrand um einen Strommast gewickelt hatte. Die zerdellte Motorhaube stand offen, die Fahrertür ebenso – niemand hinter dem Steuer, niemand in der Nähe.
Es schien niemand in Gefahr zu sein, und Max hatte keine Lust, die Polizei anzurufen. Mit denen hatte er in letzter Zeit schließlich schon mehr als genug Zeit verbracht. Einige hundert Meter weiter sah Max neben der Straße Tim laufen, der Amerikaner, den er im Casino kennengelernt hatte. Er trug einen schlecht sitzenden, grauen Anzug, auf dessen Rücken sich ein
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