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Gran Reserva

Gran Reserva

Titel: Gran Reserva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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riesiger Schweißfleck abzeichnete, einen Alukoffer presste er mit beiden Händen an seine Brust.
    Max fuhr langsamer, kam dann kurz vor ihm zu stehen und drückte die Beifahrertür auf.
    »Hey, Tim! Kann ich dich irgendwohin mitnehmen?«
    Tims Kopf erschien in der offenen Tür. Er hatte eine blutige Platzwunde an der Stirn. »Kennen wir uns?«
    »Max! Aus dem Casino! Am Roulettetisch? Wir haben zusammen Wein getrunken. Zweitausendeinser Ygay Reserva Especial.«
    »Hm. Ich kann mich, ehrlich gesagt, zum Teufel noch mal nicht an dich erinnern, aber den Wein habe ich an dem Abend echt gesoffen, so was Wichtiges vergess ich nämlich nie.«
    »Du warst sehr schlecht auf Faustino zu sprechen.«
    Tim ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. »Schön, dich wiederzusehen.« Seine Miene war dabei allerdings grimmig. »Ich will nach Logroño, in dieses Viertel am Fluss, wo die Nutten und Zuhälter hausen. Da bringst du mich hin.«
    »War das dein BMW dahinten?«
    »Ja. Fahr!«
    »Willst du nicht warten, bis er abgeschleppt wird?«
    »Nei-en. Und jetzt fahr endlich los. Verdammt noch mal! Oder halt, warte.« Er beugte sich nach hinten und verkeilte den Koffer hinter dem Sitz. »Jetzt, los. Schnell. Mach schon! «
    Für einen Moment bereute Max seine Hilfsbereitschaft. »Alles in Ordnung?«
    »Alles in Ordnung? Alles in Ordnung?! Seh ich aus, als wär alles in Ordnung? Haben sie dir ins Hirn geschissen, oder was?« Die Adern an Tims Stirn traten hervor. »Wie heißt du noch mal?«, schnauzte er.
    »Max.«
    »Max. Halt am besten einfach die Fresse, und bring mich nach Logroño. Und mach Tempo.«
    Zwei Minuten später versuchte es Max noch mal mit einer Unterhaltung.
    »Ich war gerade bei Faustino, die proben da den Besuch des…«
    »Sag mal, merkst du nicht, wann du die Schnauze halten sollst? Hab ich nicht genug Zeichen gegeben? Muss mein Scheißtag jetzt so weitergehen, dass du mich zutextest? Fragst du Vollidiot mich ernsthaft nach Faustino?« In der großen Ader auf Tims Stirn konnte Max nun das Blut pochen sehen. »Die können mich kreuzweise! Tun so, als wollten sie mein Geld nicht, spielen bekackte Spielchen! Halten sich für was Besseres! Ich bin es so leid, so unglaublich leid.« Er kurbelte das Fenster herunter und brüllte hinaus. »Verficktes Spanien!«
    Max hielt an, löste Tims Sicherheitsgurt, beugte sich hinüber, um die Beifahrertür zu öffnen, und verpasste Tims Schulter einen ordentlichen Schubs. Tim kippte zur Seite, warf Max einen wütenden, aber zugleich überraschten Blick zu und stieg laut schimpfend aus. Mit einem donnernden Schlag warf er die Beifahrertür zu, als Max schon wieder aufs Gaspedal trat.
    So einen Mist musste er sich nicht gefallen lassen!
    Im Rückspiegel sah er, wie Tim weiterfluchte.
    Max trat das Gaspedal durch.
    Er stellte das Radio beinahe ohrenbetäubend laut und drehte so lange am Senderlauf, bis er dröhnende Gitarrenmusik gefunden hatte, die zu seiner inneren Wut passte.
    Er ließ sich heute fraglos sein. Da würde sich die Sekundenmeditation richtig freuen.
    Als Max aus dem Auto stieg, begrüßte ihn schon die gesammelte Katzenmannschaft, obwohl er immer nur Yquem streichelte. Sie gaben ihm das Gefühl, er gehöre nun auch zur Familie, strichen um seine Beine, liefen so vor ihm her, dass er kaum anders konnte, als über sie zu stolpern.
    Als er noch mal einen Blick auf sein Auto warf, fiel ihm auf, dass der Beifahrersitz verstellt war. Tim, nein, besser: Timothy, weil das bescheuerter klang, hatte ihn nach hinten gerückt, damit er und seine Wampe darin Platz fanden. Max ging zurück, griff nach hinten, um den Sitz mit der Hand nach vorne zu drücken, und ertastete plötzlich Timothys großen Alukoffer, immer noch mit einigen Schweißtropfen bedeckt. Da hatte der Idiot wohl vor lauter Wut sein einziges Gepäckstück vergessen!
    Er würde jetzt sicherlich nicht zurückfahren, um diesem Irren seinen Koffer zurückzubringen! Zumindest nicht jetzt, nicht heute, dafür war sein Ärger noch zu frisch.
    Erst als Max den Koffer anhob, merkte er, wie viel dieser wog. Sicherlich fünfzehn Kilo, vielleicht sogar mehr. Kein Wunder, dass der Amerikaner geschwitzt hatte. Nicht allein die Sonne war daran schuld gewesen.
    In Juans Haus stellte er das schwere Fundstück auf den unpolierten Holztisch, der seinem Malerfreund als Esstisch und Motiv diente. Juan hatte die Strukturen schon mehrfach vergrößert abgemalt, teilweise in verfremdeten Farben, teilweise hatte er Schattierungen des Holzes

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