Gran Reserva
betont und dadurch Tiere, Menschen, Pflanzen in das Material hineingearbeitet, die wie Höhlenmalereien wirkten. In Bezug auf die moderne Kunst Spaniens war dies ein berühmter Tisch.
Und Juan hatte ein diebisches Vergnügen daran, ihn mit Flecken und Kratzern zu individualisieren – wie man heute so schön sagte.
Der schwere Alukoffer sorgte nun für einige weitere Macken. Mehrere Katzen umringten sogleich den metallischen Eindringling und beschnüffelten ihn misstrauisch.
Der Koffer war durch ein dreistelliges Zahlenschloss gesichert. Und Max fand, dass er ihn überhaupt nichts anging. Aber wirklich überhaupt gar nichts.
Wenn man vom Amerikaner auf den Inhalt schloss, konnte er Dinge enthalten, die Max lieber nicht sehen wollte.
Oder vielleicht doch? Zumindest sehen? Eine unbändige Neugier erfasste ihn.
Konnte er wirklich noch mehr Ärger haben?
Wohl kaum.
Max ließ seine Finger die Zahlenräder drehen, ganz langsam, so wie er es als Kind immer am Koffer seines Vaters getan hatte – bis er beim ersten Ziffernrad auf der Sieben ein leichtes Einrasten spürte. Obwohl der Koffer edel aussah, konnte es kein besonders hochwertiges Schloss sein. Das gleiche Einrasten bemerkte er am mittleren Ziffernrad bei der Eins, und schließlich beim linken Rad auf der Null. Er drückte auf den kleinen Knopf zum Öffnen des Schlosses.
Klack.
Es war ein sattes Klack.
Max klappte vorsichtig eine Hälfte des Koffers empor. Selbst das fühlte sich teuer an.
Innen war der Koffer dafür präpariert, zwölf Weinflaschen zu transportieren. In jeder Hälfte befanden sich Flaschen in mit schwarzem Samt bezogenen Aussparungen. Sie waren mit Lederschnüren fixiert, und weiche Seidentücher schützten die Etiketten vor Kratzern. Die Flaschen waren sicherer verwahrt als in Abrahams Schoß. Max fiel auf, dass der Stoffbezug keinerlei Duft abgab – perfekt für die Weinlagerung. Solch einen Koffer hatte er noch nie gesehen. Nicht einmal davon gehört hatte er.
Eine Katze drückte sich an den senkrecht hochgestellten Kofferdeckel, der daraufhin mitsamt der Glasflaschen auf den Holztisch knallte.
Die Flaschen im Inneren wurden dadurch kaum erschüttert.
Max öffnete den Lederriemen an einer der Flaschen. Ein 64er Ygay Marqués de Murrieta. Daneben ein 64er Gran Reserva 890 von La Rioja Alta und einer von CVNE. Auch einen López Heredia-Viña Tondonia des gleichen Jahrgangs entdeckte Max, einen Marqués de Riscal, einen der Bodegas Bilbainas, auf der anderen Seite einen Marqués de Cáceres und einen Muga – alles große, alte Namen, Klassiker und Legenden der Rioja. Und alle Weine stammten aus 1964, dem besten Rioja-Jahrgang aller Zeiten, von dem Timothy ihm im Casino vorgeschwärmt hatte. Insgesamt elf verschiedene Weine.
Nur ein Fach war leer.
Auf dessen Boden war eine kleine Plakette eingelassen.
Bodegas Faustino Gran Reserva 1964 .
Diese Sammlung alter Flaschen musste einzigartig sein. Weltweit.
Und ein Vermögen wert.
Timothy würde sie ganz sicher vermissen.
Und nun war bereits ein ganzes Büschel Katzenhaare darauf.
Max überlegte, ob er vielleicht… eine einzige… er konnte immer noch behaupten, sie sei kaputtgegangen…. eine Katze, ganz unglücklich…
Nein.
Dann würde er sich nicht »sein lassen«. Dann würde er sich ein Arschloch sein lassen, er würde sich Timothy sein lassen.
Max verschloss den Koffer wieder und stellte ihn in das von ihm genutzte Gästezimmer.
Kapitel 8
1896 – Da die Trauben aufgrund des kurzen Sommers in diesem Jahr nicht ausreiften, entstanden »grüne« Weine. Nur die Trauben der Rioja Alavesa waren gut. Heute sind diese Weine allerdings nicht mehr trinkbar.
Max hatte sich eine Flasche weißen Rioja geöffnet und saß auf Juans weißem Futonsofa, den Blick auf seine Zimmertür gerichtet, hinter welcher der Koffer stand. Er merkte gar nicht, wie sich die Flasche zunehmend leerte. Dass es so etwas wie weißen Rioja überhaupt gab, hatte er erst spät erfahren. Mittlerweile wusste er, dass die wichtigsten weißen Rebsorten Viura und – mit riesigem Abstand dahinter – Malvasia waren. Wie ein Mantra murmelte er die beiden Rebsorten immer wieder vor sich her. Yquem schnurrte dazu, während er rücklings auf dem gläsernen Wohnzimmertisch lag, den Bauch zum Licht der tief hängenden Lampe gedreht.
Wer war dieser Timothy eigentlich?
Was wollte er mit solchen Weinen?
Max wusste, wer die Antworten kannte – Google.
Das beherrschte sein neues Handy doch, oder? Hatte der
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