Gran Reserva
kurzen Frühstück stieg er ins Auto. Er musste zu den Bodegas Faustino. Den König retten. Auch wenn er der völlig Falsche dafür war.
Max blickte durch die Windschutzscheibe seines Jeeps auf das Rebenmeer der Rioja, die Hügel, welche wie große Wellen wirkten, die über das Land liefen. Die Trauben, die an deren Hängen still reiften, lagerten Zucker ein, Säure und Aromastoffe, sie hatten noch alle Hoffnungen, einen großen, vielleicht sogar einen außergewöhnlichen Jahrgang zu ergeben, wenn der Herbst es gut mit ihnen meinte.
Es war immer der Herbst, der entschied, ob die Mühen des Jahres Früchte trugen oder ob alles umsonst war. Der Herbst und der Regen.
Max blickte auf das Regenradar.
Tatsächlich, er kam. Der Regen kam.
Und nicht bloß eine kleine Wolke. Ganz Spanien war bedeckt, die Wolkendecke tiefdunkel, vollgesogen mit Unmengen von Wasser. Es sah aus wie der Beginn einer Sintflut.
La Rioja befand sich genau im Zentrum des anrückenden Tiefs.
Max fuhr rechts ran, stieg aus und blickte zum Himmel empor. Es brodelte wie in einer heißen Waschküche.
Der König würde nass werden.
Bevor er starb…
Max zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die Höhe, als ließe sich der Sturm damit besänftigen.
Sein Handy empfahl ihm mit einem Piepsen ungefragt eine neue App, die ihm jeden Tag einen neuen berühmten Menschen näherbrachte. »A Genius Every Day«. Heute war ein französischer Mathematiker dran, der sich unter anderem mit der Wahrscheinlichkeitstheorie auseinandergesetzt hatte. Und das Unwahrscheinliche geschah: Wie eine Roulettekugel auf die grüne Null, fiel plötzlich eine Erkenntnis in eine freie Stelle von Maxʼ Mordtheorie.
Vielleicht wurde es doch noch ein guter Tag.
Optimistisch gestimmt, beschloss Max, den Sekundenmeditationen eine letzte Chance zu geben, und zog eine Karte. Hoffentlich keine mit Achseln.
»Heute nehme ich wahr, was vor mir liegt.«
Er übergab sie dem Wind.
Zurück im Jeep, hörte er ein leises Maunzen.
Von hinten tapste Yquem zwischen den Vordersitzen zu ihm und legte sich auf seinen Schoß. Er schnurrte. Offensichtlich hatte er sich heute Morgen in sein Auto geschlichen und sich seitdem ruhig verhalten – wahrscheinlich im Kofferraum ein gemütliches Schläfchen gehalten. Max legte seine Hand auf das Bäuchlein des Katers und streichelte ihn bis hoch zum Kinn. Das Schnurren wurde immer intensiver.
»Du bist wohl gut darin, an Plätze zu kommen, die eigentlich nicht für dich gedacht sind.«
Yquem hob genießerisch seinen Kopf, um mehr Kraulfläche zu bieten.
»Dann verrat mir eins: Wie komme ich in die Bodegas Faustino, um euren König zu retten?«
Der Kater räkelte sich, reckte sein flauschiges Bäuchlein heraus und streckte seine Beine von sich. Yquem war fraglos eine Schönheit. Ihm konnte man unmöglich böse sein. Mit Schönheit kam man überall durch.
Sie öffnete alle Türen.
Max griff sich das Handy, rief Miranda Priestly, die Chefredakteurin des amerikanischen »People Magazine«, an und bot ihr eine exklusive Fotostrecke über den Besuch des Königs an, wenn sie ihn in die Bodegas Faustino hineinbrachte. Miranda forderte noch ein Shooting mit Heidi Klum, bei dem er es schaffen musste, dass diese endlich mal natürlich wirkte. Max willigte ein.
Zehn Minuten später kam das Okay aus New York.
Für diese Eingebung wurde der Kater auf sein Köpfchen geküsst. Und Max fuhr breit grinsend zu den Bodegas Faustino. Es gab doch nichts, was Priestly nicht organisieren konnte! Sie kannte jede Leiche in jedem Keller, der etwas auf sich hielt.
Die erste Straßensperre war so weit entfernt von Faustino errichtet worden, dass die Bodega noch nicht einmal zu sehen war. In den Weingärten standen in regelmäßigen Abständen Uniformierte mit MGs. Nachdem Max seinen Personalausweis gezeigt hatte, hielt der Sicherheitsbeamte per Funkgerät kurz Rücksprache mit seinem Vorgesetzten und ließ Max passieren.
Zwei weitere Straßensperren folgten.
Sein Personalausweis öffnete ihm alle. Ihm und Yquem, der es sich nun auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte. Der Parkplatz von Faustino war gut gefüllt, aber nicht bis auf den letzten Platz. Schließlich waren die Gäste handverlesen, die Karossen entsprechend edel. Hier stand kaum etwas mit einem Wert unter hunderttausend Euro.
Max parkte seinen dreckverkrusteten Jeep auf zwei Parkplätzen – und genoss beim Aussteigen die Blicke, die seine verwaschenen Jeans und das »God Save The Queen«-
Weitere Kostenlose Bücher