Granger Ann - Varady - 01
mir
etwas sagen würde.
Mehr noch, jedes Essen, das er mir anzubieten bereit war,
war besser als alles, was ich in meiner Küche hatte. Ich sagte
ohne Zögern ja.
KAPITEL 6 Unten vor dem Haus wartete ein
Taxi. Auf dem Taxameter musste eine schwindelerregend
hohe Summe zusammengekommen sein, doch Monkton
schien es nichts auszumachen. Dem Taxifahrer war es recht,
obgleich man ihm ansehen konnte, dass er nicht gerne in
einer Gegend wie dieser auf jemanden wartete.
Wir fuhren zu einem indischen Restaurant, das nach Alastair Monktons Worten sehr gut sein musste. Jedenfalls unterschied es sich deutlich von den indischen Imbissstuben,
die ich kannte. Auf dem Boden lagen Teppiche, die Tische
waren mit gestärktem Damast gedeckt, und die Kellner trugen weiße Jacken.
Das Essen auf den anderen Tischen sah gut aus und roch
auch so, fast so gut wie das von Ganeshs Mutter. Die Speisekarte war so groß wie die London Times , und es dauerte
auch so lange, sie zu lesen. Ich entschied mich für das Fischcurry, und Monkton bestellte Lammcurry mit Ingwer.
Als wir endlich Zeit fanden, einander über den Tisch und
das Naanbrot hinweg anzusehen, fragte er: »Ich hoffe, Sie
verstehen das nicht falsch, Francesca, aber dürfte ich erfahren, wie alt Sie sind?«
Ich sagte es ihm, einundzwanzig. Und dass ich es vorzog,
Fran genannt zu werden.
»Einundzwanzig?« Einen Augenblick lang schienen seine
Gedanken abzuwandern. Mehr zu sich selbst sagte er: »Kein
Alter, wirklich nicht. Überhaupt kein Alter. Das ganze Leben noch vor sich. Alle Möglichkeiten. Alles, was das Leben
zu bieten hat.«
Er schien die Wohnung vergessen zu haben, aus der wir
gerade gekommen waren.
Dann sah er mich wieder an und kehrte in die Gegenwart
zurück. »Dann sind Sie im gleichen Alter wie meine Enkelin, wie Theresa. Sie war gerade zwanzig geworden. Wir hatten gedacht – gehofft, sie würde an ihrem Geburtstag zu
Hause anrufen, doch sie hat sich nicht gemeldet. Wir wussten nicht, wo sie steckt. Wir konnten ihr nicht einmal eine
Karte schicken. Wir konnten ihr überhaupt nicht helfen,
und offensichtlich hätte sie unsere Hilfe mehr als nötig gehabt.«
»Wir nannten sie Terry. Es war ihre Idee.« Ich zögerte,
dann fuhr ich fort: »Sie hat gemacht, wozu sie Lust hatte.
Ich weiß, es ist schwer, Ihnen das zu erklären. Terry wollte
keine Hilfe. Sie wollte unabhängig sein.«
Noch während ich sprach, wurde mir bewusst, wie albern
es klingen musste. Unabhängigkeit erfordert Geld. Geld ohne Leine am anderen Ende. Ohne Geld kann man jeden Gedanken an Unabhängigkeit vergessen. Ich erkannte, dass ich
mir mit meinen Vorstellungen von meiner eigenen Unabhängigkeit die ganze Zeit über etwas vorgemacht hatte und
dass ich in Wirklichkeit einfach nur haltlos war. Nichtsdestotrotz bedeutete meine Art zu leben eine gewisse Form von
Freiheit.
Alastair hätte es nicht verstanden. Er hätte Terry Geld geschickt, wenn sie an ihrem Geburtstag oder irgendeinem
anderen Tag zu Hause angerufen hätte. Doch das hätte für
Terry bedeutet, nicht nur angeleint, sondern angekettet zu
werden. Und schon allein aus diesem Grund hätte sie niemals freiwillig nach dem Hörer gegriffen.
Ich konnte mir denken, welche Frage als nächste kam. Er
würde wissen wollen, ob ich mir erklären konnte, wie es zu
ihrem Tod gekommen war, doch ich konnte ihm nichts dazu
sagen. Er war so nett und freundlich, und Terrys Tod war so
ein grauenhafter Schlag für ihn, dass ich wirklich wünschte,
ich könnte ihm helfen.
»Sie war sehr still«, sagte ich. »Sie hat kaum über sich gesprochen. Ich habe sie nie zusammen mit einem Freund gesehen.«
Ich wusste, dass sie auf Declan scharf gewesen war, doch
das zählte nicht, weil nichts zwischen den beiden gewesen war.
»Ich war in Cheshire und habe mit dem jungen Nevil
Porter gesprochen.«
Das überraschte mich, und er schien es mir anzusehen.
Er lächelte und sagte: »Ich halte ihn für einen netten jungen Mann. Leider ist er sehr krank. Sie scheinen mir ebenfalls, wenn ich das sagen darf, eine angenehme, vernünftige
junge Frau zu sein. Ich bin froh, dass Theresa keinen schlechten Umgang hatte, auch wenn Sie alle illegal in diesem Abrisshaus gewohnt haben. Sie und der junge Porter, sie wirken
so … nun ja, normal. Abgesehen von, äh, Stilfragen. Porters
Familie hat einen sehr respektablen Eindruck gemacht. Ich
wage zu sagen, dass dies für Ihr Elternhaus ebenso gelten
dürfte. Ich gestehe freimütig, dass ich meine früheren Vorurteile
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