Granger Ann - Varady - 02
Blechtablett ganz in unserer Nähe riss sie bei ihrem
wilden Ansturm um, scheppernd rasselte es zu Boden, mit
ihm der Pappteller und die Gabel. Ich bekam sie Sekundenbruchteile vor ihr zu fassen und sprang zurück, die Gabel
ausgestreckt und bereit, mich damit zu verteidigen.
»Es geht um die Szabo-Entführung!«, ächzte ich atemlos
in das Handy. »Mein Name ist Fran Varady, und ich habe
Lauren Szabo gefunden. Wir befinden uns in einem leer
stehenden Bürogebäude.«
Herrgott im Himmel, ich hatte keine Ahnung, wo das
Bürogebäude lag! Ich rannte zum Fenster am anderen Ende
des Zimmers, die Gabel als Waffe vor mir ausgestreckt, und
konzentrierte mich auf Lauren, die hechelnd in der Ecke
stand und auf ihre Chance lauerte. Ich warf einen kurzen
Blick aus dem Fenster.
Was ich sah, schockierte mich nachträglich. Eine Straße,
ein Geländer, eine Böschung mit Büschen und – der Kanal!
Mein Gott, ich war in der Nacht hier vorbeigerannt, als Baz
mich auf dem Motorrad gejagt hatte! Vielleicht hatte Lauren
an ebendiesem Fenster gestanden, im abgedunkelten Zimmer, und beobachtet, wie ich um mein Leben gerannt war!
Bei dem Gedanken erlosch jedes noch so kleine und leise
Gefühl, dass sie und ich im Grunde genommen auf der gleichen Seite standen.
»Es ist ein leer stehendes ehemaliges Kaufhaus gegenüber
dem Grand Union Canal! Innen sind Büroräume, aber außen sieht es noch viktorianisch aus. Es liegt zwei oder drei
Blocks entfernt von …«
Lauren sprang mich an, kreischend wie die Weiße Frau.
Sie schlug mir die Gabel aus der Hand und packte das Handy. Ich musste loslassen. Es flog in die Luft, krachte durch
die Fensterscheibe und segelte hinunter auf die Straße, wo
es scheppernd zersprang.
Wir funkelten einander an.
»Du dummes Miststück!«, zischte Lauren. Ihr Gesicht
war wutverzerrt und jede Schönheit verschwunden. »Du
hast alles verdorben!«
»Ihr hättet Albie in Ruhe lassen sollen!«, erwiderte ich genauso böse. »Ich gebe einen verdammten Scheißdreck auf
deinen Stiefvater oder dich, wenn wir schon dabei sind. Aber
irgendjemand muss für Albie sprechen, und wie es scheint,
tut es niemand außer mir!«
»Ich weiß nichts von deinem verdammten Albie!«, brüllte
sie. »Warum fängst du überhaupt immer wieder damit an?
Er ist mir scheißegal! Ich weiß überhaupt nicht, wer er ist!
Ich will jetzt weg von hier und sonst gar nichts! Gib mir den
Schlüssel!«
Sie streckte die Hand aus. Als ich nicht reagierte, fügte sie
mit gemeinem Grinsen hinzu: »Wenn du mir den Schlüssel
nicht gibst, hältst du mich gegen meinen Willen fest!«
Sie hatte wirklich Nerven! Aber immerhin hatte sie mich
davon überzeugt, dass sie wirklich keine Ahnung hatte, was
mit Albie passiert war. Vielleicht hatten sich die beiden Kerle ohne ihr Mitwissen um dieses kleine Problem gekümmert. Ich fummelte in meinem BH nach dem Schlüssel und
reichte ihn ihr schweigend.
Sie packte ihn mit triumphierendem Grinsen und wandte
sich zur Tür. Als sie den Schlüssel im Schloss drehte, fragte
ich: »Wohin willst du denn gehen, Lauren? Du kannst nirgendwohin. Die Polizei hat bisher einen Deckel auf der Sache gehalten, weil sie dachte, du wärst ein unschuldiges Entführungsopfer. Jetzt wird sie sich an die Öffentlichkeit wenden und alle Hebel in Bewegung setzen. Dein Gesicht wird
über die Fernsehschirme des ganzen Landes flimmern. Was
glaubst du, wie lange du da draußen durchhalten kannst?«
Ich deutete auf das Fenster. »Irgendjemand wird dich erkennen, und innerhalb von vierundzwanzig Stunden haben
sie dich. Ich gehe davon aus, dass man eine Belohnung aussetzen wird.«
Sie erstarrte, dann wandte sie sich langsam wieder zu mir
um, und ich musste anerkennen, dass sie eine höchst rasche
Auffassungsgabe besaß. »Stimmt«, gab sie unumwunden zu.
»Du hast Recht. Also bleibe ich hier, und wenn die Polizei
kommt, steht mein Wort gegen deines. Ich werde sagen, du
hättest den Schlüssel draußen vor der Tür gefunden, und
ich wäre hier eingesperrt gewesen.«
»Sei dir da nicht so sicher!«, giftete ich. »Nicht nur ich
werde ihnen sagen, dass der Schlüssel hier drin war und du
jederzeit hättest gehen können, sondern auch Merv und
Baz, wenn sie die beiden erst geschnappt haben – und das
werden sie.«
»Sie können erzählen, was sie wollen.« Sie grinste mich
gelassen an. »Du meinetwegen auch. Erzähl ihnen von dem
Schlüssel, es macht keinen Unterschied! Es ist nämlich ganz
normal, dass Entführungsopfer
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