Granger Ann - Varady - 02
Richtung, in die der blaue Cortina verschwunden war.
Albie sah mich unbehaglich an. »Schon möglich, dass ich
was gesagt hab. Ich erinner mich nich«, versuchte er sich
schließlich herauszureden.
»Und ob Sie sich erinnern!« Ich würde ihn nicht mit dieser fadenscheinigen Ausrede davonkommen lassen, nicht
nach den Schwierigkeiten, die wir auf uns genommen hatten, um ihn zu finden. »Albie, ich glaube, was Sie gesehen
haben, war eine Entführung. Ich glaube, die Polizei sucht
nach dem Mädchen. Sie müssen mit mir kommen und der
Polizei alles erzählen …«
»Ich komm bestimmt nich mit zu den Bullen!«, unterbrach mich Albie.
»Ich bin doch bei Ihnen! Ich lasse Sie nicht allein, versprochen! Sie sind ein wirklich wichtiger Zeuge, und was da
gerade eben passiert ist, heißt, dass Sie in Gefahr sind! Diese
beiden Typen da wussten von Ihnen und dass Sie alles gesehen haben. Die Polizei wird Sie irgendwo unterbringen, wo
Sie in Sicherheit …«
»Nich in eine Zelle!« Albie schüttelte den Kopf. »Diese
kaltschnäuzigen jungen Bullen von heute lassen einen in der
Zelle nich mehr in Ruhe seinen Rausch ausschlafen, nich so
wie früher! Früher ja, da war so ’ne Zelle ’n guter Platz für
’ne kalte Nacht. Nix musstest du tun, nur ’n paar alte Ladys
belästigen, so mit unflätigen Bemerkungen, oder ’ne Flasche,
mal auch zwei, innen Rinnstein schmeißen. Dann haste dich
auffen Bordstein gesetzt und gewartet, bis sie kommen und
dich einsammeln. Und schon hatteste ein schönes warmes
Bett und am nächsten Morgen ein richtiges Frühstück. War
wie ’n Taxi-Service, ja so war das früher. Heute sagen sie einem, du sollst dich verziehen, und du kannst von Glück sagen, wenn diese Kerle dir nich den Schädel eintreten.«
»Nicht in eine Zelle, Albie!«, beschwichtigte ich ihn. »In
ein Wohnheim.«
»Ich mag aber keine Wohnheime!«, blaffte er ohne Zögern. »Wegen dem Baden! Die sind da fixiert aufs Baden!«
Er tätschelte meinen Arm. »Du bist ein gutes Mädchen, hab
ich ja schon gesagt. Du bist sogar ein richtig hübsches Mädchen, und du hast was im Kopf. Ach verdammt, dass ich
nicht mehr beim Varieté bin: Da hätteste gut hingepasst!
Hast du schon mal mit Tieren gearbeitet? Du hätt’st das in
null Komma nichts gelernt. Wir hätten dich in ein Kostüm
gesteckt – nichts Schrilles, nur so als Blickfang. Die Zuschauer hätten dich gemocht.« Seine Stimme wurde traurig.
»Die Hunde hätten dich gemocht. Die sind gute Menschenkenner, die Pudel.«
Er nahm die Flasche hervor, schraubte den Deckel ab und
setzte sie an die Lippen.
»Hör zu, Ganesh!«, zischte ich. »Er ist in Gefahr! Wir
können ihn nicht einfach hier lassen! Außerdem, wenn wir
ihn gehen lassen, dauert es vielleicht eine Ewigkeit, bis wir
ihn wieder gefunden haben, wenn überhaupt! Ich will, dass
Parry seine Geschichte hört!«
»Dann nimm ihn halt mit in deine Wohnung«, schlug
Ganesh trocken vor. »Wenn du so heiß darauf bist? Und
gleich morgen früh kannst du mit ihm zu Parry gehen.«
Es gab Grenzen. Ich konnte Albie unmöglich zwölf Stunden lang ertragen. Ganz bestimmt nicht, nachdem er den
Rest seiner Flasche geleert hatte. Außerdem – er roch zwar
nicht so schlimm wie sein Kumpel Jonty, aber er roch auch
nicht besonders gut. Hinterher würde ich die Wohnung
ausräuchern müssen.
»Das kann ich nicht tun!«, fauchte ich. »Was mache ich,
wenn er völlig zu von dem ganzen Whisky ist? Außerdem ist
da ja auch noch meine Vermieterin. Wenn sie sieht, wen ich
da ins Haus schleppe, kriegt sie einen Anfall. Sie würde
mich rauswerfen.« Mir kam ein Gedanke. »Was ist eigentlich mit den Garagen hinter dem Laden von Onkel Hari? Er
hat doch eine gemietet, oder nicht? Könnte Albie nicht eine
Nacht dort verbringen?«
»Schmink dir das ab, Fran! Du kennst doch meinen Onkel Hari!«
Albie hatte aufmerksamer zugehört, als ich gedacht hatte.
»Es ist nett von dir, Schätzchen, dass du dir Gedanken um
mich machst«, sagte er großmütig. »Aber ich hab schon was
vor, wie es so schön heißt. Ich komm zurecht. Die beiden
Kerle kommen heute Nacht ganz bestimmt nicht noch mal.«
Ich traf eine Entscheidung. »Albie, hören Sie zu! Ich
möchte, dass Sie sich aus der Gegend um die Kirche fern
halten. Ich bin nicht so sicher, ob die beiden Scheißkerle
nicht doch noch einmal wiederkommen. Holen Sie Jonty,
wenn Sie unbedingt müssen, aber Sie sollten sich fürs Erste
wirklich fern halten von St. Agatha! Ich habe mir
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