Granger Ann - Varady - 02
ich erinnere mich wirklich nicht, dass mein Vater je Ihren Namen genannt hätte.«
»Warum sollte er auch?« Für einen Augenblick schien
Szabo noch niedergeschlagener, wenn das überhaupt möglich war. »Das Leben hat uns auf verschiedene Wege geführt.« Unvermittelt änderte sich sein Verhalten. Er wirkte
jetzt vertrauensvoll und beinahe froh. »O, was waren das
Zeiten! Er war ein richtiger Raufbold von einem Jungen, Ihr
Vater! Ständig in Kämpfe mit größeren Kindern verwickelt
und immer zog er den Kürzeren. Er hat es nie gelernt!« Szabo kicherte rostig, als hätte er seine Stimme lange nicht
mehr zum Lachen benutzt. Dann war seine Belustigung wie
weggeblasen. »Er hätte es lernen müssen, doch er tat es nicht.
Es zahlt sich nicht immer aus, wenn man Probleme mit fliegenden Fäusten anzugehen versucht.« Er tippte sich mit einem manikürten Fingernagel an die Stirn. »Man muss das
hier benutzen.«
So viel wusste ich bereits, auch ohne seine Belehrungen.
Hätte ich nicht frühzeitig gelernt, meinen Verstand zu benutzen, hätte ich nie so lange überlebt, wie ich es getan habe. Ich wäre längst eine von jenen Leichen, die sie regelmäßig aus dem Kanal fischen, genau wie Albie, bis zur Halskrause voll gepumpt mit Alkohol oder Drogen. Ich war klug
genug, um mich aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Ich
kann nichts dafür, wenn ich in Schwierigkeiten gerate:
Manchmal verfolgen sie mich so lange, bis sie mich gefunden haben.
Ich betrachtete den kleinen Mann in der gegenüberliegenden Ecke des Fonds und fragte mich, ob Vincent Szabo
früh gelernt hatte, seinen Verstand zu benutzen, weil er
nicht besonders kräftig gebaut war. Kinder, die kleiner waren als ihre Altersgenossen, suchen sich manchmal ein kräftiges Kind als Beschützer, wie ein Mond, der einen großen
Planeten umkreist. War das der Grund für die Verbindung
zwischen diesem Mann und meinem Vater? Hatte Vater ihn
vor den anderen Raufbolden auf dem Spielplatz beschützt?
Die Geschichte von der Fußballmannschaft konnte ja trotzdem stimmen. Ein kleiner Junge wie Szabo konnte ein flinker Fußballer gewesen sein und ein geschickter Spieler, trotz
seiner heutigen unsportlichen Erscheinung.
»Ich bin hier wegen einer so … so widerwärtigen Angelegenheit, einer Angelegenheit, die meine Welt auf den Kopf
gestellt hat, und das ist keine Übertreibung«, erklärte Szabo
ernst. »Meine Liebe, ich merke, dass Sie verwirrt sind. Ich
verwirre Sie, und es ist vielleicht besser, wenn ich die Ereignisse der Reihe nach erzähle. Sie werden sehr bald verstehen, warum ich mit Ihnen reden wollte. Mit Ihnen reden
musste.«
Sein Verhalten hatte sich geändert. Nachdem er sich entschieden hatte, mit mir zu reden, begann er munter und zusammenhängend zu berichten. Ich war erleichtert, weil sein
vorheriges Benehmen mich nervös gemacht und ich mich
bereits gefragt hatte, ob er vielleicht unter dem Einfluss von
Drogen stand.
»Ich sagte bereits, dass meine Eltern mit mir von London
nach Manchester gezogen sind.« Er klang jetzt weniger niedergeschlagen, als hätte die Entscheidung, mit mir zu reden,
auch seine Stimmung aufgemuntert. »Ich bin ins Polstermöbelgeschäft gegangen, Großhandel, nicht Einzelhandel.
Ich habe mit Bezugsstoffen gehandelt. Es ist ein gutes Geschäft – oder es war zumindest ein gutes Geschäft, vor der
Rezession. Der Bauboom hat mir sehr geholfen. Alle haben
neue Häuser gekauft, und in jedem neuen Haus haben hübsche neue Möbel gestanden und haben neue Vorhänge vor
den Fenstern gehangen.«
Er klang geradezu gut gelaunt, während er von seinen
vergangenen Erfolgen berichtete. »O, ich habe Ihren Vater
nicht vergessen«, fuhr er fort. »Selbst wenn er, wie Sie meinen, mich vergessen hat. Nein, ich habe ihn nicht vergessen,
und als ich geschäftlich erfolgreich wurde, schrieb ich ihm
und schlug ihm vor, dass er nach North kommen und ins
Geschäft einsteigen solle. Er hat geantwortet, aber er hat leider abgelehnt. Er meinte, er habe keine Begabung dafür.
Das war das letzte Mal, dass wir miteinander Kontakt hatten. Ich weiß nicht, wie es ihm danach ergangen ist.« Er hob
fragend die Augenbrauen, offensichtlich in der Erwartung,
dass ich ihm die Einzelheiten berichtete.
»Nicht besonders gut«, gestand ich. »Manchmal lief es
besser, manchmal schlechter.«
Szabo zuckte die Schultern. »Das habe ich befürchtet.
Hätte er sich mit mir zusammengetan, hätte ich ihn angeleitet. Auf sich selbst gestellt war Bondi schon immer ein
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