Granger Ann - Varady - 03
Morgen durchzuhalten. Ich stieg aus dem Bett, schlüpfte in den alten
Morgenmantel, den meine Vermieterin mir geliehen hatte,
öffnete die Tür und wollte zur Treppe.
Ich wollte Daphne nicht aufwecken, deswegen zögerte
ich, das elektrische Licht einzuschalten. Hier draußen im
Treppenhaus fiel Licht von den Straßenlaternen durch ein
vorhangloses Fenster. Ich nahm Bonnie auf den Arm und
schlich die Treppe hinunter, während ich mich mit der freien Hand am Geländer festhielt, für den Fall, dass ich den
Halt verlor. Auf halbem Weg nach unten begann der Terrier
zu zappeln.
»Hör auf damit!«, befahl ich leise. Doch sie winselte weiter, und dann knurrte sie.
Im gleichen Augenblick vernahm ich ein leises Geräusch
aus der Halle unten. Sofort legte ich Bonnie die Hand auf
das Maul und blieb wie erstarrt stehen. Ich war mitten auf
der Treppe. O mein Gott!, dachte ich. Das ist Pferdeschwanz!
Er ist in das Haus eingestiegen, genau wie er in meine Wohnung eingestiegen ist!
Der Eindringling hatte sich aus der Halle entfernt und war
nun im Salon auf der Frontseite des Hauses. Ich sah den
Lichtkegel einer Taschenlampe, der willkürlich durch das
Zimmer wanderte. Inzwischen hatte ich meine Nerven wieder halbwegs im Griff, und mein Gehirn funktionierte ebenfalls einigermaßen normal. Falls es tatsächlich Pferdeschwanz
war, dann hatte er doch wohl nicht vor, dieses große Haus,
das jemandem gehörte, der keinerlei Verbindung zu Coverdale besaß, nach dem Film zu durchsuchen, auf die abwegige
Chance hin, dass ich die Negative bei Daphne versteckt hatte?
Ich hatte ihm gesagt, ich wäre bereit, ihm den Film und die
Abzüge zu übergeben. Er musste mir lediglich mitteilen,
wann und wo. War es nicht wahrscheinlicher, dass es sich,
wer auch immer dort im Zimmer umherschlich, um einen
ganz gewöhnlichen Einbrecher handelte?
Ich schlich zur Tür, streckte vorsichtig die Hand durch
den Spalt und tastete nach dem Lichtschalter. Der Einbrecher befand sich unterdessen auf der anderen Seite des
Zimmers. Er stolperte über ein Möbelstück, und ich hörte,
wie er einen unterdrückten Fluch ausstieß. »Scheiße!« Das
war nicht Pferdeschwanz.
Ich schaltete das Licht ein und ließ Bonnie zu Boden
springen.
Und dann geschah alles auf einmal.
Bonnie sprang bellend durch den Raum. Der Einbrecher
stieß einen schrillen Schrei aus, stolperte rückwärts, verlor
das Gleichgewicht und ging zu Boden. Er riss ein kleines
Tischchen mit sich, gegen das er gestolpert war. Es war ein
Tischchen, auf dem Daphne eine Reihe silberner Antiquitäten ausgestellt hatte, Löffel, Salzschälchen, Pillendosen, diese Art von Dingen. All das segelte nun in großem Bogen
durch das Zimmer, landete scheppernd auf dem Boden und
rollte in alle Richtungen davon. Der Einbrecher hatte sich in
den Tischbeinen verfangen und zappelte auf dem Boden wie
eine auf dem Rücken liegende Schildkröte. Falls Sie nie eine
Schildkröte besessen haben, so kann ich Ihnen verraten,
dass Schildkröten, einmal auf den Rücken gedreht, nicht
mehr imstande sind, sich alleine wieder aufzurichten. Sie
liegen auf dem Rücken und zappeln hilflos mit allen Beinen.
Unser Einbrecher war, wie ich nun sehen konnte, von der
Gestalt her einer Schildkröte nicht unähnlich. Er besaß einen rundlichen Leib und kurze Beine. Er trug dunkle Hosen
und einen dunklen Pullover und eine Skimaske über dem
Kopf, und mit den beiden Sehschlitzen darin sah er einer
Schildkröte noch ähnlicher.
Bonnie wand sich durch die Hindernisse und packte das
Hosenbein des Einbrechers mit ihren kleinen, kräftigen Kiefern. Sie begann daran zu zerren, während sie wütend grollte. Ich konnte sehen, dass sie sich königlich amüsierte.
»Lass mich los, du elende Bestie!«, heulte es unter der
Skimaske. Der Einbrecher schlug mit seiner Taschenlampe
nach dem Terrier.
»Wagen Sie es nicht, meinen Hund zu schlagen!«, rief ich
und sprang durch das Zimmer, um Bonnie zu Hilfe zu
kommen. Ich riss dem Einbrecher die Taschenlampe aus der
Hand, mit der er wild um sich fuchtelte, während er vergeblich mit dem freien Bein nach Bonnie trat, um sie abzuschütteln. Keine Chance.
»Fran! Was geht hier vor?«
Daphne war in der Tür erschienen und hielt drohend einen Spazierstock erhoben.
»Rufen Sie die Polizei, Daphne!«, ächzte ich. »Bevor er
Bonnie abschütteln und weglaufen kann!«
»Nein!«, rief der Maskierte panisch. »Nicht die Polizei!
Ich kann alles erklären!«
Irgendetwas an der Stimme kam mir
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