Granger Ann - Varady - 03
nicht zu verraten, dass ich Jo
Jo getroffen hatte. Es konnte dazu führen, dass komplizierte
Erklärungen erforderlich wurden, und außerdem, was interessierte es sie? Ich sagte ihr, dass es Bonnie gut ging, und
fragte sie, wie die Dinge standen.
»Mum ist einkaufen gefahren«, berichtete Tig. »Ich musste warten, bis sie weg war, bevor ich dich anrufen konnte.
Sie ist immer misstrauisch, wenn ich ans Telefon gehe.«
Das klang nicht gerade gut. »Wie nimmt dein Vater die
Geschichte auf?«
»Vater? Er ist gegangen.«
Das warf mich fast um. »Gegangen? Wohin?«
»Weg. Er ist ausgezogen. Er konnte es nicht verkraften,
dass ich zurück war und nicht länger sein ›liebes kleines
Mädchen‹, wie er es immer nannte. Er schläft in seinem Büro auf einem Gästebett.«
Das war eine Wendung, mit der ich nicht gerechnet hatte.
Die arme Sheila Quayle. Sie hatte ihre Tochter zurück und
dafür ihren Mann verloren. »Vielleicht kommt er ja zurück«,
sagte ich, »sobald er mit sich im Reinen ist. Ich denke, deine
Mutter wird ganz schön fertig sein deswegen, oder? Einfach
so auszuziehen?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte Tig. »Sie sagt, wir brauchen ihn nicht, weil wir jetzt uns haben. Es ist schrecklich,
Fran! Sie verfolgt mich durch das ganze Haus! Sie will nicht,
dass ich ausgehe. Wenn ich ausgehe, will sie mitkommen.
Ich hatte vorhin einen richtig heftigen Streit mit ihr, weil ich
keine Lust hatte, mit ihr zum Supermarkt zu fahren. Sie
macht mich verrückt, Fran! Ich ertrage das nicht! Ich glaube, ich muss wieder von hier weg!«
»Überstürze nichts«, drängte ich. »Du bist doch gerade erst
wieder eingezogen. Du kannst unmöglich vor Weihnachten
verschwinden. Es würde deiner Mutter das Herz brechen. Sie
wird sich beruhigen, ganz bestimmt. Dein Dad wird wiederkommen. Er muss sich spätestens am Weihnachtsabend zeigen, zum Dinner. Es war ein großer Schock für deine Eltern.
Der Stress musste sich irgendwann entladen.«
»Ja«, sagte Tig. »Ich spüre es auch, das kannst du mir
glauben. Aber das ist eigentlich nicht der Grund, aus dem
ich anrufe, Fran. Hör mal, ich bin dir was schuldig, ehrlich.
Ich weiß das. Selbst wenn es hier nicht funktioniert, es ist
nicht deine Schuld. Du hast dir wirklich alle Mühe gegeben.
Du hast alles getan, was du versprochen hast. Wenn ich es
vermassle, dann ist das allein mein Problem. Die Sache ist,
ich wollte dir schon früher etwas sagen, weißt du, noch bevor ich London verlassen habe, aber ich hatte Angst, es zu
tun. Ich wollte keinen Ärger, Fran. Ich will immer noch keinen Ärger. Aber jetzt bin ich hier oben in Dorridge, wo
niemand mich finden kann, und so schlecht ist es gar nicht.
Außerdem schulde ich dir was, wie gesagt.«
»Es ist etwas, das mir wahrscheinlich nicht gefallen wird,
richtig?«, fragte ich. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages
erloschen in den Oberlichtern der Haustür, während ich die
Frage stellte.
»Ja«, sagte Tig. »Es wird dir bestimmt nicht gefallen,
schätze ich. Aber ich hätte keine Ruhe, wenn ich es dir nicht
trotzdem sagen würde.«
Und so erzählte sie mir ihre Geschichte, während ich im
dunkler werdenden Flur stand, Bonnie zu meinen Füßen
saß und im Hintergrund das Klappern von Daphnes alter
mechanischer Schreibmaschine durch das Haus hallte. KAPITEL 18 Kurz vor sieben Uhr kam Jason
Harford vorbei. Er hatte den Anzug ausgezogen und trug
eine Lederjacke mit einem T-Shirt darunter und eine Khakihose. Er stand im Licht der Straßenlaterne unter Daphnes
Haustür, hatte die Hände in den Taschen und lächelte mich
an.
»Sie sehen gut aus«, sagte er. Es muss an Joleens Lippenstift gelegen haben.
Ich sagte ihm, er sähe ebenfalls ziemlich gut aus, und das
war nicht gelogen.
»Und? Darf ich reinkommen?«
»Sicher.« Ich trat beiseite und ließ ihn eintreten. Er zögerte, als er neben mir stand, und beugte sich vor, als wollte er
mich küssen, doch ich schlüpfte an ihm vorbei und schloss
die Tür.
»Keine Vermieterin im Haus?«, fragte er und blickte sich
um.
»Sie ist zu einer Freundin gegangen und kommt später
zurück.«
Er wanderte durch den Flur und betrachtete die Bilder und
den Nippes. »Es war ein großartiger Tag!«, sagte er über die
Schulter. »Sie haben ja gar keine Ahnung, Fran, wie sehr Foxley sich gewünscht hat, diesen Grice festzunageln! Grice streitet natürlich ab, den Befehl zur Ermordung von Coverdale
erteilt zu haben. Er sagt, sein ›früherer Geschäftspartner‹, wie
er es nennt, hätte
Weitere Kostenlose Bücher