Granger Ann - Varady - 03
Pressegeier stiegen wir in den Keller, und ich führte ihn in mein Wohnzimmer, einen großen Raum mit einer winzigen Kitchenette
und einer weiteren Tür zum Badezimmer.
»Nette Wohnung«, sagte er, nachdem er sich ausgiebig
umgesehen hatte. »Sie haben Glück gehabt. Wie haben Sie
diese Wohnung gefunden? Ich bin nämlich ebenfalls auf der
Suche. Dort, wo ich jetzt wohne, verliere ich zu viel Zeit mit
dem Weg zur Arbeit.«
»Es war nicht nur Glück«, sagte ich. »Ich habe jemandem
geholfen – und dafür hat er später mir geholfen. Er ist ein
Freund von Daphne.«
»Sie meinen nicht zufällig Monkton, oder? Den älteren
Herrn, dessen Enkeltochter drüben am Fluss in einem besetzten Haus gewohnt hat, am Rotherhithe Way?«
»Sie scheinen ja gut informiert zu sein«, entgegnete ich
säuerlich. Doch das war natürlich sein Job. Er hatte es außerdem bereits nebenbei erwähnt, bei unserer ersten Begegnung. Dieser Mord war nicht meine erste Bekanntschaft mit
gewaltsamem Tod, und das würde er nicht vergessen.
Durch das kleine Fenster auf der anderen Seite des Wohnzimmers war ein Stück von Daphnes Rasen zu sehen. Durch
die Hanglage des Grundstücks befand er sich auf Augenhöhe.
Unmittelbar vor dem Fenster war eine Art Schacht, der das
Licht hineinließ. Damit ich nicht auf die nackten Erdwände
sehen musste, hatte Daphne den Schacht mit Bruchsteinen
verkleidet, nicht besonders gut, und die Pflanzen gediehen
nicht in dem feuchten, sonnenlosen Loch. Deswegen waren
nur nackte Felsklumpen zu sehen, und es erinnerte an eine
halb ausgegrabene archäologische Stätte. Spatzen hüpften auf
den Steinen umher und suchten nach Fressbarem. Ich hatte
mir angewöhnt, ihnen Krumen hinzuwerfen.
Inspector Harford war zu dem Fenster gegangen und
studierte den wenig inspirierenden Ausblick.
»Sie haben keine Tür in den Garten hinaus?« fragte er,
während er den Schacht studierte und den Hals verrenkte,
wie man es tun musste, wenn man mehr von Daphnes Garten sehen wollte.
»Nicht direkt, nein. Meine Vermieterin hat mir gesagt, es
wäre kein Problem, wenn ich im Sommer draußen sitzen
möchte. Allerdings muss ich dafür durch ihre Wohnung.
Ich schätze, ich könnte auch durch das Fenster steigen, als
Abkürzung sozusagen.«.
Das hätte ich wahrscheinlich nicht sagen sollen. Es war
lediglich als beiläufige Bemerkung gedacht gewesen, der
Versuch eines müden Scherzes, doch er nahm meine Worte
sehr ernst. Er rüttelte am Riegel, schob das Fenster auf, das
an der Oberseite mit Scharnieren angeschlagen war, und
schien abzuschätzen, ob es möglich war. Schließlich ließ er
das Fenster wieder zurückgleiten und sicherte es, indem er
den Riegel vorschob. Dann erst drehte er sich zu mir um.
»Ich habe Gray Coverdale nicht auf der Türschwelle niedergestochen«, sagte ich sarkastisch, »um anschließend in
meine Wohnung zu gehen, die Tür hinter mir zu verschließen, durch das Fenster wieder nach draußen zu steigen, über
die Gartenmauern zu klettern und über die Straße hierher
zurückzukehren, um den Leichnam zu ›finden‹, falls Sie das
denken.«
Er nahm in meinem Pinienholzsessel Platz, legte die
Hände auf die Armlehnen und sagte: »Das wollte ich damit
auch nicht sagen.«
»Sie haben ausgesehen, als würden Sie etwas in der Art
denken.« Ich starrte ihn feindselig an. Um die Wahrheit zu sagen, sein Auftauchen hatte mich überrascht. Ich hatte viel eher
mit Parry gerechnet. Ich hatte geglaubt, Harford würde den
Tag zu Hause verbringen und sich von einem leckeren
Sonntagsessen erholen oder vielleicht etwas draußen unternehmen, etwas Gesundes. Er trug heute keinen Anzug, sondern M & S Khakis, ein pfauenblaues Puma-Sweatshirt und
navyfarbene Nike-Turnschuhe. Er gehörte offensichtlich nicht
zu den Leuten, die sich durch Markentreue auszeichneten.
»Warum sollten Sie Coverdale umgebracht haben?«, sagte
er. »Ihrer Aussage nach haben Sie ihn doch kaum gekannt.«
Es klang, als wäre ich bei unserer letzten Begegnung mit der
Wahrheit sparsam umgegangen.
»Das ist richtig. Ich kannte den Mann kaum. Ich bin ihm
nur einmal begegnet, und da wusste ich nicht mal seinen Namen.« Ich zögerte. »Dann haben Sie inzwischen seine Identität bestätigt? Es war Coverdale?«
Er nickte. »Wir fanden einen Verwandten, der ihn zweifelsfrei identifiziert hat.«
Ich stellte mir die Szene vor, und es war nicht schön.
Dann fragte ich mich, wer wohl ins Leichenschauhaus gestiefelt käme, um mich zu identifizieren, falls
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