Granger Ann - Varady - 03
geschieht, du musst weg von ihm. Gleich jetzt, auf der Stelle.
Geh nicht wieder zurück.«
»Und wohin soll ich gehen?«, fragte sie. »Ich muss
schließlich irgendwo schlafen!«
Damit war ich in die Verpflichtung genommen, und ich
musste reagieren. »Du kannst bei mir übernachten, bis du
nach Hause fährst. Keine Angst, es ist in Ordnung. Ich
wohne allein.«
Und was, wenn sie nicht nach Hause zurückkehrte? Dann
hatte ich sie am Hals. Der Gedanke war alles andere als aufbauend.
Sie zögerte ebenfalls, auf mein Angebot einzugehen. »Ich
weiß nicht«, sagte sie. »Was ist mit meinen Sachen? Jo Jo
verwahrt all unsere Sachen.« Wie schlau von Jo Jo. Er glaubte offensichtlich, indem er über Tigs wenigen Siebensachen
wachte, wäre sichergestellt, dass sie immer wieder zu ihm
zurückkam. Es war an der Zeit, ihm zu zeigen, dass er sich
geirrt hatte.
»Dann vergiss dein Zeug. Es ist das Risiko nicht wert,
noch mal zu ihm zurückzugehen. Du kannst dich nicht mit
deinen Sachen davonschleichen, ohne dass er etwas bemerkt. Gibt es irgendetwas, das du auf keinen Fall zurücklassen kannst?«
Sie nickte. »Ja, eigentlich schon. Ich muss noch etwas holen, das ich nicht dort lassen kann.« Sie stellte den leeren Kaffeebecher ab. »Sag mir deine Adresse, ich komme heute Abend
vorbei, gegen neun. Jo Jo hat heute Abend irgendwas vor, er
trifft sich mit einem Geschäftsfreund, wie er es nennt. Ich hab
keine Ahnung, worum es geht, er hat mir nicht mehr erzählt.«
Wahrscheinlich ging es um Drogen; überrascht hätte es
mich nicht. Jo Jo sah nicht danach aus, als hätte er Skrupel.
Ich hielt nicht viel von Tigs Plan, noch einmal zu ihm zurückzukehren, doch ich sah, dass ihr Entschluss feststand.
Ich sagte ihr, wo ich wohnte. Als ich mit Reden fertig war,
kam Ganesh wieder zum Vorschein.
»Okay, wir sehen uns dann später«, sagte Tig hastig und
wandte sich um. In Sekundenschnelle war sie aus dem Laden verschwunden.
Ich überlegte, ob ich Ganesh von dieser neuesten Entwicklung erzählen sollte, doch ich entschied mich dagegen.
Er würde nur sagen, dass ich mich tiefer und tiefer in fremde Angelegenheiten ziehen lassen würde und dass das seiner
Meinung nach nicht gut enden konnte. Ein anderer Gedanke beschäftigte mich. Was um alles in der Welt konnte so
wertvoll sein, dass Tig ein letztes Mal zu Jo Jo zurückkehrte
und riskierte, von ihm verprügelt zu werden, nur um es zu
holen?
Ganesh meinte, ich könnte um zwölf Uhr gehen, wenn ich
wollte. Es ginge ihm besser, und Dilip hatte versprochen,
gegen sechs für eine Stunde vorbeizukommen, wenn das
Geschäft in der Regel ein wenig hektisch wurde.
Ich machte mich auf den Weg die Straße hinunter und
kam bei dem Drogeriemarkt an, wo ich den Film hatte entwickeln lassen, als mir einfiel, dass mein Gast wahrscheinlich eher keine Toilettenartikel dabeihaben würde; nach Tigs
Aussehen zu urteilen, war Seife in diesen Tagen etwas Ungewohntes. Die arme Tig. Früher hatte sie sich ständig hingebungsvoll die Zähne geputzt. Nun ja, falls sie bei mir bleiben wollte, war Körperhygiene kein optionales Extra. Eher
eine grundlegende Notwendigkeit.
Ich stieß die Tür zum Drogeriemarkt auf. Im Geschäft
war wenig los, genau wie in Onkel Haris Laden. Eine der
beiden fest angestellten Verkäuferinnen war in der Mittagspause. Die andere, Joleen, lehnte auf dem Ladentresen und
las Black Beauty and Hair. Sie wäre gerne irgendwann
Schönheitsberaterin geworden, mit einem eigenen Salon,
doch der Verkauf von Hustensaft und Empfängnisverhütungsmitteln in unserem Drogeriemarkt war so ungefähr
alles, was sie bisher zu Stande gebracht hatte. Ich hatte Mitgefühl mit ihren stockenden Ambitionen, saß ich doch im
gleichen Boot wie sie. Ich fischte einen Seifenriegel und eine
Flasche Duschgel aus dem Selbstbedienungsregal und
brachte beides zu ihr.
»Hi Fran«, begrüßte sie mich und hielt mir die Hände
mit den Handrücken nach oben hin, sodass ich ihre purpurroten Fingernägel bewundern konnte. »Was hältst du davon?«
»Sehr schön«, sagte ich.
»Eine neue Serie. Dieser Farbton nennt sich Smouldering. Splittert nicht ab. Du musst ihn unbedingt ausprobieren.
Ich könnte dir die Nägel machen, wenn du magst. Ich bin
ausgebildet in Maniküre, weißt du?«
»Glaub mir, angesichts meines Lebensstils brauche ich
keinen splittersicheren Nagellack«, entgegnete ich. »Er
müsste schon fast kugelsicher sein.« Ich stellte meine Einkäufe auf die Theke.
»Zwei fünfundneunzig«,
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