Granger Ann - Varady - 05
weiß!«, unterbrach ich ihn. »Das habe ich ihr schon
gesagt! Ich habe einen Job bei der Pizzeria, und ich habe
keine Lust auf die Art von Arbeit, die sie macht.«
»Gut. Vergiss das bloß nicht. Lass dich zu nichts überreden.«
Ich sagte, dass ich nicht vorhätte, eine Dummheit zu begehen. Ich bat ihn, ein wenig Vertrauen in mich zu haben.
»Na ja, schön«, sagte er widerwillig und schob den
Schlüssel ins Schloss. »Es ist nur … Ich weiß sehr genau, wie
gerne du Detektiv spielst. Und erzähl Onkel Hari nichts von
den Fahrstunden. Du weißt ja, wie er sich immer Sorgen
macht.«
KAPITEL 4 Nachdem ich mich noch auf eine
Tasse Tee hingesetzt und Onkel Hari alle Fragen bezüglich
der Proben beantwortet hatte, war es wirklich spät geworden. Ich wusste, dass ich wenigstens eine halbe Stunde früher hätte gehen sollen, doch es war genau so, wie Ganesh
mich gewarnt hatte: Hari war so vollkommen aus dem Häuschen angesichts der Tatsache, dass ein Mitglied seiner Familie bei einer richtigen Theaterproduktion mitmachen
würde, dass wir da einfach durchmussten. Wie Ganesh mir
zuflüsterte: Hari stand dem ganzen Projekt aufgeschlossener
gegenüber als einige von uns, abgesehen von Marty. Ich sagte nicht, dass ich nicht glaubte, dass Marty noch so eifrig bei
der Sache war wie noch ganz am Anfang.
»Showgeschäft, nicht wahr?«, schwärmte Hari. »Der Geruch von Theaterschminke, die Scheinwerfer, das Publikum!«
Ich wusste nicht, wann ich ihn jemals so lebhaft und unbeschwert gesehen hatte. Normalerweise ist er lebhaft und
sorgenvoll. Die Verantwortung, ein Geschäftsmann zu sein,
lastet schwer auf seinen Schultern. Wenn es nicht einer seiner Großhändler ist, dann ist es ein Kunde, der ihm Sorgen
macht. Hari ist fest davon überzeugt, dass alle Großhändler
nur das Ziel haben, ihn zu betrügen, und dass alle Kunden
genau beobachtet werden müssen, oder sie bestehlen ihn.
Hari lebt in einer Welt voller Haie. Ich sage nicht, dass er
völlig auf dem Holzweg ist, sicher nicht. Die Kinder aus der
Gegend sind ganz gerissene Ladendiebe. Es ist nur, dass er
so viel Mühe hat, mit alldem fertig zu werden.
Gerade deswegen war es umso erstaunlicher, dass Hari,
der sich jeden einzelnen Tag um jede einzelne Kleinigkeit
sorgte, keinerlei Bedenken wegen des Stücks zu haben
schien. Aber wie sollte er auch? Er war ja noch nicht bei unseren Proben gewesen.
Es hatte aufgehört zu regnen, und so machte ich mich mit
Bonnie auf den Nachhauseweg. Ich kam bis zur Camden
Street, die trotz der späten Zeit noch ziemlich belebt war.
Mitten unter all den anderen Fußgängern waren mehrere
heruntergekommene Gestalten auf dem Weg zum Obdachlosenasyl in der Arlington Road, und es war reiner Zufall,
dass ich ihn entdeckte, einen hageren, ungekämmten jungen
Kerl in einem weiten Pullover. Er hing vor einem FastfoodLaden herum, und zuerst dachte ich, er wäre nicht der Junge aus dem Hinterhof, sondern nur einer von seiner Sorte.
Also wirklich, Fran, sagte ich zu mir. Er geht dir nicht aus
dem Kopf, und du siehst schon überall Gespenster, genauso,
wie du die zusammengekrümmte Gestalt von Billy in diesem
Hauseingang mit ihm verwechselt hast.
Doch noch während ich diesen Gedanken dachte, drehte
er sich um, und das Licht fiel in sein Gesicht. Es gab keinen
Zweifel. Die verkniffenen Züge und die riesigen dunklen
Augen. Er sah elend und hungrig aus.
Ich trat zu ihm, bevor er mich bemerkte. »Hi, ich bin’s,
Fran … Erinnerst du dich?«
Er machte buchstäblich einen Satz und sprang in die Luft,
während er mich angstvoll anstarrte. Dann drehte er sich
um und rannte die Straße hinunter davon.
Ich wusste, dass ich keine zweite Chance bekommen
würde, ihn zu finden; also machte ich mich an die Verfolgung. Bonnie sprang hinter mir her. Flüchtende Typen sind
in der Camden Street wahrscheinlich nichts Besonderes,
und jemanden auf dem belebten Pflaster zu verfolgen ist
nicht ganz einfach. Ich dachte schon, ich würde ihn verlieren, doch unerwarteterweise mischte sich ein Außenseiter
ein. Ein Klamottenladen, der bis zu diesem Moment noch
geöffnet hatte, packte für die Nacht zusammen. Ein untersetzter Mann war draußen und hatte eine Stange in der
Hand, um damit Kleidung herunterzunehmen, die vor dem
Schaufenster hing. Als der Junge vorbeirannte, ließ der
Mann die Stange fallen und packte ihn am Kragen seines zu
großen Pullovers. Der Junge rannte noch ein, zwei Schritte
weiter, während sich der Strickkragen des Pullovers
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