Granger Ann - Varady - 05
gefragt!«, entgegnete Carmel brüskiert.
Marty, der seit meiner Ankunft kein Wort gesagt hatte
und am Rand der Gruppe auf und ab ging, meldete sich
endlich zu Wort. »Hör zu, Fran, ich weiß nicht, was passiert
ist, aber du bist hier, und wenn du dich in der Lage fühlst zu
spielen, dann lasst uns endlich mit dieser Probe anfangen,
sonst sind wir noch die ganze Nacht hier. Wenn du und
Ganesh darüber reden wollt, dann macht das später.« Er
sprach mit scharfer Stimme, und seine Tonlage war schriller
als normal. Er sah mich erneut an und blickte dann hastig
zur Seite, als könne er meinen Anblick nicht ertragen.
Ganesh funkelte Marty an, doch der war eindeutig im
Regiemodus und litt unter Lampenfieber wie wir alle.
»Sie kann nicht auf die Bühne«, sagte Nigel und zeigte auf
mich. »Nicht so, wie sie aussieht!«
Alle starrten mich erneut an. Selbst Marty drehte sich um
und musterte mich zögernd. Ich hielt seinem Blick stand,
und er unterbrach den Augenkontakt sofort. Sah ich tatsächlich so schlimm aus?
»Ich mache sie zurecht«, erbot sich Carmel rasch. »Los,
geh in die Umkleide, Fran.«
Ich wurde von Denise und Carmel in die Umkleidekabine
geschoben. Es war ein luftleeres Loch von einem Zimmer,
das wir mit den Männern teilten. Weil es kein Fenster gab,
war es heiß und stickig. Die Hitze stammte von einem einzelnen kleinen Heißluftofen, der in einer Ecke vor sich hin
surrte, und von den elektrischen Glühbirnen über dem
Spiegel. Der Geruch setzte sich zusammen aus Schweiß, Zigaretten, den Chemikalien im Make-up und Körperspray,
aus Schinkensandwich, dessen Überreste angekaut auf einem Teller lagen, dem moschusartigen Aroma getragener
Kleidung und dem üblichen heftigen Gestank nach schalem
Bier, der typisch war für Pubs.
»Was für ein Dunst hier drin!«, rief ich. »Schalt diesen
Lüfter aus!«
»Wir haben ihn eingeschaltet, weil es so verdammt kalt
hier drin war«, schnappte Carmel. »Setz dich.«
»Es stinkt trotzdem hier drin«, grollte ich, als die beiden
Frauen mich auf einen Stuhl vor dem Schminkspiegel
drückten.
»Der ganze Pub stinkt«, sagte Carmel ungehalten. »Ich
muss mir jedes Mal die Haare waschen, wenn ich nach Hause komme.«
»Hey!«, sagte Denise ärgerlich. »Wirklich gut, dass mein
Mann das nicht gehört hat! Du hast vielleicht Nerven! Dieser Pub stinkt nicht! Wir lüften das Lokal jeden Morgen
stundenlang. Wir haben eine Zwangsentlüftung unten. Die
Leute rauchen und trinken im Pub; da muss man mit ein
wenig Dunst leben. Es wäre noch verdammt viel schlimmer,
wenn wir Essen machen würden, das kann ich dir sagen.«
Ich schwieg, weil ich unterdessen in den Spiegel geblickt
und mich zum ersten Mal nach der Explosion richtig in Augenschein genommen hatte.
Mein Gesicht war knallrot, und das Haar war an den Ansätzen weggesengt. Ich sah halb kahl aus wie eine von diesen
Gesellschaftsfrauen auf Renaissance-Porträts mit ihren rasierten Vorderschädeln. Augenbrauen besaß ich ebenfalls
keine mehr, wie ich herausfand, als Carmel mit einem Tuch
darüberrieb und sie sich auflösten.
»Ich kann ihr Gesicht zurechtmachen«, sagte Carmel über
meinen Kopf hinweg zu Denise. »Ich benutze diese hellgrüne Creme als Unterlage. Aber mit ihren Haaren kann ich ihr
nicht helfen.«
»Ich habe eine Perücke!«, sagte Denise. »Ich gehe sie holen!« Sie eilte davon.
Carmel machte sich daran, Make-up auf meinem Gesicht
zu verteilen. Ich protestierte und sagte, dass ich das selbst
könne, doch sie ignorierte meine Einwände. Sie war in ihrem Kostüm als Mrs Hudson, mit Schaumstoff ausgepolstert unter einem langen Rock mit Schürze und Kopftuch.
»Wo ist deins?«, fragte sie nun.
»Mein was?«
»Dein Kostüm, du Depp!«
Es war daheim in meiner Wohnung, wo sonst? »Ich bin
direkt hierhergekommen«, erklärte ich. »Verstehst du, ich
wollte eine Freundin besuchen, und dann ist ihre Wohnung
explodiert.«
»Marty ist bestimmt sauer«, sagte Carmel. »Das hier ist
schließlich eine Kostümprobe.«
»Hör mal, ich wäre beinahe in die Luft geflogen! Ihr habt
Glück, dass ich überhaupt gekommen bin! Außerdem bin
ich nicht die Einzige, die zu spät ist. Wo steckt Irish Davey?
Er sollte doch mit seinem Hund hier sein!«
»Marty hat ihn heute Morgen getroffen«, berichtete sie mir.
»Davey hatte den Hund dabei, und er hat gesagt, dass er heute
Abend kommt. Wir brauchen ihn erst ganz am Schluss. Vorher ist er nur auf Band zu hören. Denise hat Digger draußen
in den Hof gesperrt, damit
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