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Grant County 03 - Dreh dich nicht um

Grant County 03 - Dreh dich nicht um

Titel: Grant County 03 - Dreh dich nicht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Patienten waren junge Frauen in kurzen T-Shirts und Trompetenhosen. Lena hatte ihre eigene Meinung, was diese Mädchen anging. Ihre schlimmsten Sorgen drehten sich wahrscheinlich um Noten, Jungs oder darum, dass sie Heimweh nach ihrem Fifi hatten. Jedenfalls hatten sie keinen blassen Schimmer, was echte Probleme waren, Probleme, die einem nachts den Schlaf raubten, einen schwitzend und zitternd auf den Morgen warten ließen, um endlich wieder atmen zu können.
    »Haaallo!«
    Chuck schlug auf die Klingel auf dem Tresen. Ein paar der Wartenden zuckten zusammen und warfen Lena böse Blicke zu, als wäre es ihre Aufgabe, ihn in Zaum zu halten.
    »Hallo!« Er lehnte sich über den Tresen und versuchte in den Flur dahinter zu spähen. Lena starrte zu Boden und versuchte ihre Verlegenheit zu verbergen.
    Schließlich erschien die Sekretärin, eine rotblonde Frau mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht. Sie sah Lena ohne das geringste Zeichen des Wiedererkennens an.
    »Da sind Sie«, sagte Chuck und grinste sie an, als wären sie alte Freunde.
    »Ja, bitte?«
    »Carla?« Chuck las ihr Namensschild. Sein Blick blieb ein bisschen zu lang an ihrem Busen hängen.
    Sie verschränkte die Arme. »Was wünschen Sie?«
    Jetzt trat Lena vor und sagte leise: »Wir müssen mit Frau Dr. Rosen sprechen.«
    »Sie ist mitten in einem Gespräch. Sie kann jetzt nicht gestört werden.«
    Eben wollte Lena die Frau beiseite nehmen und sie über die Situation aufklären, als Chuck herausplatzte: »Ihr Sohn hat sich vor einer Stunde umgebracht.«
    Im Wartezimmer war ein kollektiver Schrei des Entsetzens zu hören. Zeitschriften wurden fallen gelassen, zwei Mädchen verließen den Raum.
    Carla brauchte einen Moment, um den Schock zu überwinden, dann murmelte sie: »Eine Sekunde, ich hole sie.«
    Lena hielt sie auf. »Ich werde es ihr sagen. Bringen Sie mich nur zu ihr.«
    Die jüngere Frau seufzte erleichtert. »Danke.«
    Chuck war Lena auf den Fersen, als sie Carla den langen, schmalen Flur hinunter folgte. Ihre krankhafte Zellenangst packte Lena und drohte ihr die Kehle zuzuschnüren. Bis sie Dr. Rosens Sprechzimmer erreichten, war sie schweißgebadet. Um alles noch schlimmer zu machen, klebte Chuck an ihr wie eine dicke Klette. Sie konnte sein Aftershave riechen, vermischt mit dem Aroma seines Kaugummis, auf dem er schmatzend herumkaute. Sie hielt die Luft an, drehte den Kopf weg und kämpfte gegen die Übelkeit.
    Die Sekretärin klopfte leise an die Tür. »Jill?«
    Lena zerrte an ihrem Kragen, um Luft zu kriegen.
    Gereizt Öffnete Dr. Rosen die Tür. »Ja?« Als sie Lena sah, war sie überrascht und lächelte freundlich. Sie wollte gerade etwas sagen, doch Lena unterbrach sie.
    »Dr. Rosen«, sagte sie, ihre Stimme war brüchig. Jill Rosen sah von Lena zu Chuck. Zögernd wandte sie sich an die Patientin in ihrem Sprechzimmer. »Ich bin gleich wieder da, Lily.« Sie zog die Tür hinter sich zu. »Hier entlang, bitte.«
    Lena warf Chuck einen wütenden Blick zu, doch er folgte ihr wie ein Schatten.
    An einer offenen Tür blieb Dr. Rosen stehen. »Hier können wir reden.« Lena kannte nur das Wartezimmer und das Sprechzimmer, und jetzt war sie überrascht, als sie den großen Sitzungsraum betraten. Es war ein warmer, großzügiger Raum voller Pflanzen, genau wie Dr. Rosens Sprechzimmer. Die Wände waren in einem beruhigenden Grauton gestrichen. Die Stühle um den langen Mahagonitisch hatten lilafarbene Polster. Grosse Schubladenvitrinen beherrschten eine Seite des Raums, und Lena war beruhigt, als sie die Vorhängeschlösser sah, die Neugierige abschrecken sollten.
    Die Therapeutin drehte sich um und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ihr Gesicht war schmal, und sie hatte schulterlanges dunkelbraunes Haar. Sie sah gut aus für ihr Alter, wahrscheinlich war sie Anfang vierzig. Sie trug meistens lange, fließende Blusen und Röcke, die sich vorteilhaft ihrer Figur anschmiegten.
    Sie verfügte über eine Direktheit im Umgang mit Menschen, die Lena ziemlich aus dem Konzept gebracht hatte. Das wusste sie nicht zuletzt deshalb, weil Jill Rosen es nach nur drei Sitzungen gewagt hatte, Lena als Alkoholikerin bloßzustellen. Lena wunderte sich, dass sie bei dieser Art überhaupt Patienten hatte, die freiwillig kamen. Aber eine Therapeutin, die ihren Sohn nicht davon abhalten konnte, von einer Brücke zu
springen – das sagte ja wohl einiges. Wie vorherzusehen, kam Jill Rosen sofort zur Sache. »Wo brennt’s denn?«
    Lena holte tief Luft. »Es

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