Grappa 02 - Grappas Treibjagd
einen »dicken Fisch« verschlug ihm die Sprache.
Zahlmann tat derweil seinen Job, telefonierte, gab kurze und knappe Anweisungen. Dann rief er im Polizeipräsidium an und verlangte den Präsidenten zu sprechen. Der war noch da, denn er gab gerade einen kleinen Empfang in seinem Büro. Zehnjähriges Jubiläum. Einige Gäste waren wohl auch noch da, denn durch den Hörer kamen Stimmen.
Würde mich nicht wundern, wenn Herr Professor Ellenbogen auch unter den Gästen weilen würde, dachte ich spontan.
Zahlmann informierte ihn von der geplanten Aktion, ging aber nicht in Einzelheiten, nannte keine Namen und sagte schließlich: »Jawohl, Herr Präsident! Morgen um elf bei Ihnen im Zimmer.«
Er und der Staatsanwalt marschierten zur Tür. Jetzt lag die Sache in ihrer Hand.
»Vermasseln Sie die Sache nicht!«, wünschte ich den beiden.
Doktor Schnösel drohte: »Wenn die Geschichte vorbei ist, dann werde ich Ihre merkwürdigen Ermittlungsmethoden einer strafrechtlichen Überprüfung unterziehen!«
Die Tür knallte. Mit dem hatte ich es gründlich verdorben.
»Arroganter Wichser«, knurrte ich.
Jansen blickte flehend gen Himmel. »Dein Temperament bringt uns alle noch mal ins Gefängnis«, klagte er, »hättest du nicht etwas verbindlicher sein können? Musst du immer gleich alles sagen, was dir in den Sinn kommt?«
»Hört alle auf! Ich bin fertig mit den Nerven. Alle nörgeln nur an mir herum!«
Wenigstens Agnus Naider beteiligte sich nicht daran. Er saß auf einem Stuhl, hatte die Beine auf einen zweiten gelegt und schlief selig. Sein Mund stand offen, er atmete so, als wolle er gleich anfangen zu schnarchen. Der hatte vielleicht Nerven! Oder hatte er gar keine?
Der Professor lässt die Hosen runter
Jetzt galt es zu warten. An dem Abend und in der Nacht konnten wir nichts mehr tun. Ich war hundemüde. Lämmchen war aufgewacht, und ich bugsierte ihn ins Auto, um ihn zu Hause abzuliefern.
Ich kannte den Weg zu seiner Bude, die in einer Gegend lag, die nicht zur guten Stube der Stadt zählte. Es war stockdunkel, die Straßenfluchten im Bierstädter Norden wirkten bedrohlich. »Wollen wir noch ein Glas Wein oben bei mir trinken?«, fragte mich Lämmchen. Fast hätte ich ja gesagt, dachte dann aber an ein dunkles Zimmer mit vermutlich ungespülten Gläsern. Außerdem wollte ich nicht in eine Situation kommen, die er als Anfang einer Beziehung missverstehen könnte.
»Nein, es ist zu spät«, lehnte ich ab, »ich will nur noch ins Bett und schlafen. Wir sehen uns morgen, ja?«
Er war zufrieden und trottete Richtung Haustür. Komisch! Jetzt wirkte er wieder irgendwie hilflos und lieb, aber ich hatte ihn auch schon kaltblütig und dreist erlebt. Er war ein Rätsel für mich und durfte es auch gerne bleiben.
Ich wollte nicht weiter nachdenken. Ich war froh, als ich die Enge und Beklommenheit der Straßen verließ und zu meiner Wohnung im Grünen fuhr. Viele Häuser zwar auch hier, doch es war alles großzügig angelegt, die Gebäude standen weit auseinander, und es war viel Botanik dazwischen. Ich parkte das Mietauto und benutzte den Aufzug.
Als ich den fünften Stock erreichte, ging das Licht aus. Ich packte in Richtung Lichtschalter und fasste in etwas Weiches. Ich schrie auf, das Licht ging an. Ich hatte den Arm von Prof. Dr. Christian Ellenbogen in der Hand. Er hatte auf der Treppe auf mich gewartet. Er drückte mir eine Pistole in den Magen und zischte: »Los, aufschließen und rein da!«
Der Höhepunkt des Tages kommt erst noch, dachte ich bitter. Ich folgte seinen Anweisungen. Er drückte mich in den Flur und schloss die Tür mit seinem Rücken. Ich machte im Wohnzimmer Licht. Ganz ruhig bleiben, empfahl ich mir.
»Guten Abend, Herr Ellenbogen«, sagte ich, »seit wann machen Sie denn Hausbesuche?«
»Setzen Sie sich da hin«, herrschte er mich an. Seiner smarten Erscheinung fehlte in diesem Augenblick jede Eleganz, sein blondes Haar war strähnig und seine Lippen noch schmaler als sonst. Die Halsschlagader pochte wieder, und das Gesicht war gerötet. Der Maßanzug war leicht verrutscht, die Bügelfalten saßen nicht mehr, und die Knie waren ausgebeult. Er hatte wohl lange auf der Treppe gesessen. Ob ihn jemand gesehen hatte? Die Nachbarn würden sicherlich alle befragt werden, wenn meine Leiche am anderen Morgen gefunden werden würde.
»Was ist im Teutoburger Wald vorgefallen?«, wollte er wissen. Die Knarre war noch immer auf mich gerichtet. Ganz ruhig konnte er seine Hand nicht halten, und das war
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