Grappa 03 - Grappa macht Theater
›Zerbrochnen Krug‹!«
Er nickte und fragte: »Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Das war nicht schwierig. Immerhin kennen Sie Frau Elsermann ja schon länger, nicht wahr? Sie ist doch auch Mitglied der ›Loge‹.«
Beutelmoser schwieg verdutzt.
»Ich hoffe, dass Ihr Buch ein Bestseller wird«, wünschte ich ihm, »aber ich muss jetzt los! Wenn Ihnen noch was einfällt oder sich Nello bei Ihnen meldet, sagen Sie mir bitte gleich Bescheid, ja?«
»Gern, liebe Freundin. Darf ich Sie bitten, über mein Projekt zurzeit noch nichts zu veröffentlichen?«
»Warum sollte ich? Ich bin ja Polizeireporterin. Ich werde den Namen der Dame nicht mit Ihnen oder Ihrem Roman in Verbindung bringen. Ich will nur eins: Prätorius finden! Je länger er verschwunden ist, umso mysteriöser wird die Sache.«
Wir schüttelten uns herzlich die Hände. In der Tür wandte ich mich noch einmal zu ihm um und fragte: »Kann es sein, dass unser gemeinsamer Freund Nello von Prätorius ebenfalls nahe Verbindungen zu Frau Elsermann hatte? Erinnern Sie sich daran, was der Verrückte im Theater behauptet hat? Ihre Geschichte könnte auch sein Roman sein, oder?«
Beutelmoser war bleich geworden. Seine Freundin hatte offensichtlich ein großes Herz, ich musste dringend mit ihr reden. »War ja nur eine Frage«, sagte ich und ging durch den Vorgarten zu meinem Auto. Fifi begleitete mich galant bis zum Gartentor.
Nichtraucher verschwinden nicht beim Zigarettenholen
Auch in den nächsten Tagen gab es von Nello keine Spur. Ich verfasste einen Artikel fürs »Bierstädter Tageblatt«, bat ihn, sich zu melden, forderte Zeugen auf, mir etwas über sein Verschwinden mitzuteilen. Ohne Erfolg.
»Es kann doch nicht sein, dass sich ein 95 Kilo schwerer Mann mit ziemlich auffälligem Äußeren in Luft auflöst«, sinnierte ich auf der Redaktionskonferenz, »entweder ist er einem Verbrechen zum Opfer gefallen, oder er erlaubt sich einen Scherz, um auf sich aufmerksam zu machen.« An die letzte Möglichkeit glaubte ich selbst nicht.
»Es gibt Leute, die verschwinden einfach«, meinte der Fotograf, »gehen eben mal Zigaretten holen und kommen nie wieder.«
»Nello raucht nicht«, widersprach ich, »außerdem ist er zu alt und zu krank, um irgendwo ein neues Leben anzufangen. Er hatte sich in Bierstadt ganz gut eingerichtet, war angesehen und hatte sein Auskommen. Die Polizei steht ebenfalls vor einem Rätsel. Kein Unfallverletzter in der Umgebung, keine unbekannte Leiche. Niemand außer uns scheint großes Interesse daran zu haben, dass er wieder auftaucht. Die Vermisstenanzeige hat sein Blatt, das ›Kulturecho‹, gestellt und nicht etwa seine Ex-Frau oder der Sohnemann.«
»Hast du seine Ex schon besucht?«, fragte Jansen.
Ich winkte ab. »Noch nicht, ich muss auch noch zu Beate Elsermann. Liegt die nach ihrem getürkten Suizid immer noch in der Klinik?« Meine Frage galt dem Fotografen, der sich nach dem ersten Treffen mit ihr vor Begeisterung kaum hatte halten können.
Doch jetzt war er völlig gleichgültig, zuckte die Schultern und ließ die Mundwinkel fallen. Sein Interesse hatte in den letzten Tagen dem neuen Stürmer des heimischen Fußballvereins gegolten, den er in allen nur möglichen Positionen abgelichtet hatte. Ex und hopp, verwerten und vergessen – das war die Dramaturgie im alltäglichen Journalismus.
»Morgen kriegt ihr die Familiengeschichte des Nello von Prätorius«, versprach ich der Experten-Runde, »ich mache mich auf den Weg zu Anneliese von Prätorius. Ihr Mann hat ihr den Namen ›Vampir‹ gegeben. Wohl wegen der Unterhaltszahlungen, die er leisten musste. Ich hätte gerne hundert Zeilen auf der Dritten, Platz für das Hochzeitsfoto der beiden, zweispaltig 160 hoch und für ein Porträt von ihr, einspaltig 80 Millimeter.«
»Gebongt!«, sagte Jansen. »Du bist dir deiner Sache ja mal wieder sehr sicher. Hoffentlich spricht sie überhaupt mit dir!«
»Bisher hat noch jeder mit mir gesprochen«, prahlte ich, »auch wenn er es sofort danach bereut hat. Meine Überrumpelungstaktik ist genial.«
»Nimm die Frau nicht zu hart ran«, bat Jansen. Er sah mich an, als würde er mich für ein Monster halten, das über Leichen ging. In mir stieg Ärger auf, doch ich unterdrückte ihn. Ich verstand auch nicht, warum ich den Ruf hatte, nicht besonders sensibel zu sein.
Ein trauriger Vampir lügt nicht
Die Frau, die mir die Tür öffnete, sah beileibe nicht wie ein Vampir aus. Sie ging mir gerade bis zur Schulter, war zart und
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