Grappa 03 - Grappa macht Theater
Sie nicht wieder geheiratet?«
»Es hat sich nicht ergeben.«
»Zahlt er wenigstens brav Unterhalt?«
»Nicht brav. Manchmal musste ich auch die Gerichte bemühen. Dafür hat er mir den Spitznamen ›Vampir‹ verpasst. Ich wünschte, ich wäre einer, dann hätte ich weniger Probleme.«
»Warum will er nicht zahlen? Hat er so wenig?« Ich wollte testen, ob sie über seine finanziellen Verhältnisse Bescheid wusste.
Es klang ehrlich, als sie sagte: »Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie er lebt.«
»Wissen Sie, ob er eine Freundin hat?«
»Auch das weiß ich nicht. Ich bin froh, dass ich ihn nicht zu Gesicht bekomme. Die wenigen Male, die wir uns nach der Trennung gesehen haben, bestanden aus minutenlangen Monologen über die eigene Wichtigkeit und die Genialität seiner Artikel. Nello hat sich in seinem ganzen Leben niemals wirklich für einen anderen Menschen interessiert. Auch nicht für seinen Sohn. Die Welt hat sich gefälligst um ihn zu drehen!«
»Sagt Ihnen der Name ›Loge‹ etwas?«
»Ja, natürlich. Das ist dieser Verein, der einmal im Jahr den Opernball veranstaltet. Nello ist dort Mitglied.«
»Was tun Sie, wenn Nello nie wieder auftaucht?«
Der Gedanke erschreckte sie nicht. »Dann gehe ich zum Sozialamt. Die kennen meinen Fall und seine Zahlungsmoral. Die mussten schon öfter mal einspringen. Ich habe noch ein paar Mark auf dem Konto. Wenn die verbraucht sind, tauge ich vielleicht noch als Putzfrau!«
Die Bitterkeit in ihrer Stimme machte mich betroffen. »Sie bekommen ein Honorar von meiner Zeitung«, log ich, »geben Sie mir doch Ihre Kontonummer!«
Sie schrieb sie auf einen Zettel. Peter Jansen hatte eine Kasse für solche Fälle. Er musste etwas Geld für die arme Frau locker machen. Hoffentlich zieht er mir die Mäuse nicht von meinem Honorar ab, wünschte ich mir.
Als sie mir das Papier reichte, merkte ich, dass sie sich schämte. Nello hatte diese Frau ruiniert. Und ich hatte ihn bisher für einen lieben, alten, originellen Zausel gehalten, der gerne Schauspieler und Regisseure piesackt. Das Bild in meinem Kopf war gründlich zerstört worden.
Ein Foto für Mama Grappa
Der Weg in Beate Elsermanns Krankenzimmer war steinig. Die Dame hatte viel zu tun, denn die Protagonisten der gesammelten Blut-und-Sperma-Presse der Republik hatten sie zu ihrem Objekt auserkoren. Und ich mittendrin.
»Frau Elsermann empfängt heute keine Besucher mehr!«, teilte mir die Dame an der Pforte mit. Ich musste mir etwas einfallen lassen.
Im Foyer ließ ich mich in ein Sofa fallen und beobachtete die Treppe. Ich kannte die Kollegen, die dort mit Kamera und Block die Treppe herunterkamen und überaus zufriedene Gesichter machten. Sie arbeiteten für ein Boulevard-Blatt.
Die Elsermann nahm mit, was sie kriegen konnte. Ruhm, oder das, was sie dafür hielt, und natürlich Geld für Fotos und Interviews. Ich hatte nicht die geringste Lust, ihr mein sauer verdientes Zeilengeld in den Rachen zu werfen, denn das »Tageblatt« zahlte nicht für Interviews.
Meine Improvisation und Kreativität waren gefragt. Jansens Bedenken über meine manchmal unkonventionellen Recherchemethoden vergaß ich schnell. Besondere Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, tröstete ich mich.
Ich ging in ein Bekleidungsgeschäft in der Nähe der Klinik und kaufte mir einen weißen Kittel. Die Pforte war kein Problem mehr für mich, mein Outfit öffnete mir alle Türen. Auf den Fluren salutierten die Krankenpfleger. Im dritten Stock war die Innere Abteilung. Jetzt musste ich nur noch rauskriegen, wo sie lag.
Ich schlenderte über den Flur und beobachtete die Türen. Der Erfolg kam schnell, als ein Berufskollege aus einem Krankenzimmer trat. Ich schlüpfte hinein.
»Jetzt ist Schluss, meine Herren«, nörgelte ich genervt, »alle raus hier! Die Patientin braucht Ruhe. Außerdem muss ich sie untersuchen!«
Murrend räumte der Reporter den Platz auf der Bettkante der »Kranken«, sein Fotograf betätigte noch ein paarmal das Blitzlicht, und Beate Elsermann schloss die beiden oberen Knöpfe ihres seidenen Nachthemdes.
»Wird's bald!«, drängelte ich. Ich hatte wenig Zeit, denn meine Maskerade würde keiner näheren Überprüfung standhalten. Die beiden trollten sich schließlich.
»Ich bin die neue Stationsärztin«, schwindelte ich, »wie geht es uns denn heute?« Ich bemühte mich um den Samariterton, den ich aus einschlägigen Ärzteserien kannte.
»Alles läuft super!«, strahlte sie mich an. »Ich habe
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