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Grappa 03 - Grappa macht Theater

Grappa 03 - Grappa macht Theater

Titel: Grappa 03 - Grappa macht Theater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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vorsichtshalber schon mal die Augen. Mir fiel ein, dass ich keine Fotokamera dabei hatte, weil sich das Ding nicht in mein Abendtäschchen quetschen ließ. Wäre ein schönes Exklusivfoto gewesen!
    »Sie haben sie ausgenutzt und beschmutzt! Meine Eve, diese unschuldige schöne Frau!«, rief der Verwirrte in großem Schmerz aus.
    Dann ging alles sehr schnell. »Putzi« tauchte hinter ihm auf, packte ihn und drehte ihm den Arm mit der Waffe um. Ein Schmerzensschrei hallte durch das Foyer. Die Sache war gelaufen.
    »Na also«, stellte Höfnagel fest, »jetzt kann die Polizei den Rest erledigen. Armer Irrer!«
    Ich ging zu Nello, dem der Schreck erst jetzt in die Knochen gefahren war. Schwer atmend hing er auf einem Barhocker und stützte sich mit seinem Entenstock ab. Schriftsteller Lazarus Beutelmoser sprach beruhigend auf ihn ein.
    »Das war knapp!«, sagte ich. »Wer war der arme Irre?«
    »Er ist mit der Schauspielerin Beate Elsermann befreundet«, antwortete Nello, »mehr weiß ich auch nicht. Er heißt Austerlitz oder so ähnlich.«
    Er konnte kaum sprechen, war bleich und zitterte.
    »Und was haben Sie mit der Dame zu tun?« Ich war neugierig.
    Nello schwieg. Bevor ich nachhaken konnte, mischte sich Lazarus Beutelmoser ein. »Lassen Sie meinen Freund in Ruhe! Sehen Sie nicht, dass er sich nur mit Mühe aufrecht halten kann?«
    Er hatte recht. Ich war mal wieder rau und gefühllos.
    »Soll ich Sie ins Krankenhaus fahren?«, bot ich Nello von Prätorius an. Doch er winkte ab und griff nach dem Bier, das ihm Beutelmoser hinhielt. Sein Blick streifte unruhig durch den Raum. Ich folgte seinen Augen. Sie steuerten geradewegs auf Austerlitz zu und blieben mit einem seltsamen Ausdruck auf ihm liegen. Die beiden hatten mehr miteinander zu tun, als Nello zugeben wollte.
    Austerlitz saß in einem Sessel neben »Putzi«, der ihn noch immer mit seinen Pranken gegriffen hatte. Die Polizei war unterwegs. Der Gesichtsausdruck des Leibwächters lag zwischen Beutestolz und Liebeserwartung. Tatsächlich kam sein Boss Feudel und schlug ihm anerkennend auf die eckigen Schultern. »Putzi« strahlte, er hatte seine Sache gut gemacht. Feudel lächelte, und diesmal schien er es wirklich zu wollen. Männerfreundschaft.
    Der Rest war Routine: Die Polizei kam und nahm den Gefangenen mit. Die zweite Halbzeit wurde auf Anweisung des Kulturdezernenten abgesagt. Lazarus Beutelmoser erklärte sich bereit, Nello von Prätorius nach Hause zu fahren und sich um ihn zu kümmern.
    »Was hat der Junge bloß gemeint«, fragte ich Nello zum Abschied, »als er sagte, auch Sie hätten Eve ausgenutzt und beschmutzt?«
    »Ich habe wirklich nicht die Spur einer Ahnung!«, behauptete Nello in seinem Rezitier-Ton. Er hatte sich wieder im Griff.
    Ich sah in seine Augen und wusste, dass er log. An diesem Abend sah ich Nello von Prätorius das letzte Mal lebend.

Strafaktionen gegen Cäsar Knulp
    Alle Zeitungen und Zeitschriften zerfetzten am nächsten Tag die Aufführung und sezierten Cäsar Knulp artgerecht auf einem Silbertablett. Natürlich überschattete der Vorfall mit dem temperamentvollen Schwarzauge die kulturelle Sensation. Nello spuckte publizistisch Gift und Galle.
    Gallo Pinto, dessen »Melpomene« am selben Tag herauskam, war gegenteiliger Meinung. Er lobte die Inszenierung als »richtungsweisend«, war entzückt von der Idee mit dem Schlamm, der das Ländlich-Einfache der Kleist'schen Charaktere psychologisch einfühlsam betone. Die Schauspielerin Beate Elsermann pries er als »blutvolle und charakterschwere Neuentdeckung, die der etwas blassen Figur der Kleist'schen Eve ein modernes, elegant-lässiges Kleid überstreift.«
    Außerdem hob er positiv hervor, dass Knulp dem Einakter eine Pause verpasst hatte, was es seit der Uraufführung durch Goethe nicht mehr gegeben habe. Wahrscheinlich hatte er das Bierstädter Publikum nicht überfordern wollen, dachte ich. Und Kammerschauspieler Paul Pistor habe »genial die Absicht des Meisters darstellerisch nachempfunden: Wir alle haben keine weiße Weste mehr, sind schuldig geworden an der Unschuld des Lebens!«
    Doch Gallo Pinto konnte nicht gewinnen. Bierstadt spielte dieses Spiel nicht mit. Kulturdezernent Höfnagel schaltete sich ein und sorgte dafür, dass das Stück zunächst aus dem Spielplan genommen wurde. Schauspieldirektor Knulp wurde zu einer Krisensitzung ins Rathaus befohlen, wo er sich vor einer Jury verantworten musste. Er wurde verwarnt und an seine gelungenen süddeutschen Inszenierungen

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