Grappa 06 - Grappa und der Wolf
einem sanft gehügelten Gelände seitlich des Kirchenschiffes.
Der Parkplatz lag dem Kirchturm vis-à-vis. Über dem Hauptportal war in einer Nische eine Marienfigur angebracht. Sie schaute mit sanftem Blick auf die versammelten Pferdestärken, die rechte Hand segnend erhoben.
Der violette Rolls stand auch auf dem Parkplatz. Er hatte ein Bierstädter Kennzeichen. Da ich meine Polaroidkamera noch in meinem Beutel hatte, drückte ich kurz drauf. Man kann ja nie wissen.
Am künftigen Grab von Hermann Lasotta waren viele Menschen versammelt. Die Familienmitglieder hatten die besten Plätze ergattert. Lasottas Witwe war tief verschleiert. Ein Mann mittleren Alters reichte ihr ständig neue Papiertaschentücher. Sie war eine kleine, stämmige Frau, die ihre Figur in ein schwarzes Jackenkleid gezwängt hatte. Ihre Haare waren wasserstoffblond. Von ihrem Gesicht waren nur Konturen zu erkennen. Ich hatte meine Kamera noch immer in der Hand, also drückte ich einige Male auf den Auslöser.
Mich wunderte, dass einige Männer in Bundeswehruniformen erschienen waren. Dann fiel mir ein, dass Hermann Lasotta Major der Reserve gewesen war. Die Grauröcke gaben ihrem Kameraden das letzte Geleit.
»Fernsehen – gehen Sie bitte zur Seite!« Diese Stimme kannte ich. Willi Wurbs, der Bluthund von TML, schlenderte unbeeindruckt von der feierlichen Stimmung mitten durch die Menschen, um an das Loch zu gelangen, in das in wenigen Minuten der Sarg versenkt werden sollte. Er trug einen grellbunten Blouson aus Ballonseide, jenem Material, das auch noch in 3000 Jahren keine Spuren von Verblassung zeigen würde. Seine weißen Joggingschuhe hatten die Ausmaße von kleinen Hausbooten. Mit ihnen trampelte er direkt zur Grube und zoomte versuchsweise in sie hinein.
Ein Trompeter in Bundeswehruniform tauchte auf. Er hob sein Gerät, und schon ging es los: »Ich hatt einen Kameraden …«
Der Mann beherrschte sein Instrument, die Trompetentöne kamen glasklar und frisch. Mich fröstelte. Wenig später tauchten die Sargträger auf. Auch sie in Uniform. Der Priester begann mit seiner Rede. Ich hörte nicht zu, sondern betrachtete die Menschen. Die Herren überwogen, alle waren sie Würdenträgerdurchschnitt mit ähnlichen Anzügen, gedeckten Krawatten und grauen Mienen. Die Frauen ähnelten ihnen. Sie hatten fast alle die gleiche Dauerwellenfrisur, und zweireihige Perlenketten umschlangen die welken Hälse.
Die Träger versenkten nun den Mahagonisarg ins Loch. Witwe Lasotta schluchzte auf, der Mann an ihrer Seite stützte sie, und Willi Wurbs hielt gnadenlos drauf. Mich wunderte, dass er sie nicht bat, die Szene noch einmal zu wiederholen.
Es gibt drei Dinge im Leben, die ich niemals sein möchte, dachte ich, ein Esel in Spanien, eine Frau in Saudi-Arabien und Journalistin bei einem Kommerzsender.
Die Holzkiste war auf dem Boden angelangt, der Pfarrer schleuderte aus einer silbernen Spritze Weihwasser auf den Deckel. Dann durfte jeder Besucher an der Grube vorbeigehen und ein Schäufelchen Erde reinwerfen. Der Trompetenmann betätigte wieder sein Instrument.
Gleich würde die Feier ihr Ende haben. Wenn ich den Mann im Rolls Royce noch erwischen wollte, musste ich mich sputen. Doch das war leichter gesagt, als getan. Willi Wurbs hatte mich gesichtet und steuerte auf mich zu. In seiner knalligen Jacke wirkte er so auffällig wie ein Schweinebraten in einem vegetarischen Restaurant.
»Hallo, Grappa«, tönte er fröhlich, »tolle Story, oder? Ich bin nur hier, um den Mörder zu filmen. Na ja, einen kleinen Nachrichtenfilm über die Beerdigung kriege ich auch noch unter.«
»Du willst den Killer ablichten?«
»Klar. Alte Bauernregel. Der Mörder kommt zur Beerdigung seines Opfers. Psychologisch verständlich. Er will die Frucht seiner Tat sozusagen abernten.«
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Psychologe bist. Ich hätte eher auf Psychopath getippt, so wie du eben durch die Reihen gestürmt bist.«
»Langsam, Grappa!«, maulte er. »Job ist Job. Deine Story war übrigens nicht übel. Hättest sie ruhig noch ein bisschen aufmotzen können. Wie fandest du meinen Hinweis auf die Russenmafia?«
»Geht so.« Ich zuckte desinteressiert die Schultern.
»Trinken wir noch einen?«, fragte der Bluthund und nahm die Kassette aus der Kamera.
»Nimm's nicht persönlich«, winkte ich ab, »aber ich muss dringend weg. Wenn ich was Neues erfahre, melde ich mich.«
Dann nahm ich meine Beine in die Hand, was gar nicht so einfach war, denn ich kam mit
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