Grappa 07 - Killt Grappa
las ich die Aussage von Else Ambrosius. Sie hatte damals eingeräumt, in ihrem Haus ab und zu Männer empfangen zu haben, die ihre sexuellen Dienste gegen Geld in Anspruch genommen hätten. Die Polizei hatte Folterinstrumente, Fesseln, Peitschen und Ähnliches gefunden. Else Ambrosius hatte den Verdacht, dass in ihrem Haus Schwarze Messen mit Kindesmissbrauch stattgefunden hätten, weit von sich gewiesen und als »Racheakt« von spießigen Dörflern bezeichnet, denen sie ein Dorn im Auge sei, obwohl zahlreiche Männer der Stadt regelmäßig bei ihr verkehrten. Ich klappte die Aktenordner zu und packte meine Notizen ein.
»Haben Sie einen Schnaps?«, fragte ich. »Jetzt muss ich einen heben!«
Bliss nickte verständig, schlurfte zum Schrank und holte eine Flasche Persico raus. Das Zeug hatte ich zum letzten Mal mit fünfzehn auf dem Abschlussball meiner Tanzschule getrunken. Egal. Bliss goss ein Wasserglas halb voll. Ich hielt den Atem an und die Nase zu, und hinunter mit dem Zeug!
Alles mit Gefühl
MORDFALL GRID: SPUR FÜHRT IN HOLLÄNDISCHES TEUFELSHAUS tippte ich wenig später in meinen Laptop. Die Unterzeile lautete: Schwarze Messen mit vielfachem Kindesmissbrauch – Wurde Witwe von mutmaßlicher Teufelsanbeterin hypnotisiert?
Der Artikel war kurz und sachlich – mit Verweis auf eine spätere ausführlichere Berichterstattung mit einmaligen Exklusivfotos. Ich schloss den Drucker an den PC an, schnappte die drei Seiten und stiefelte wieder zur Polizeiwache, denn dort hatte ich ein Faxgerät gesichtet. Mijnheer Bliss war wieder sehr kooperativ. Dafür durfte er meinen Artikel lesen.
»Du warst aber vorsichtig«, bemerkte er, »keine Behauptungen, sondern nur Vermutungen und sehr viel Gefühl.«
»Gefühl ist das Einzige, womit man die Leute noch kriegen kann«, sagte ich. Bliss nickte verständig.
Da trudelte Turkey ein. Er hatte mich im Hotel gesucht und sich gedacht, dass ich hier sein müsste. Seine Laune war im grünen Bereich angelangt. Die Fotoausbeute sei besser als erwartet, meinte er, Dorfidylle mit Schönheitsfehlern.
»Leute mit ängstlichen Gesichtern, kleine Kinder, die von ihren Eltern weggezerrt werden, und ein magerer Hund, der im Abfalleimer wühlt«, strahlte er. »Wenn ich die ganz hart abziehe, kommen die bombig. Dazu die Fotos vom Teufelshaus, das Phantombild des verschwundenen Täters und das Foto von der Ambrosius. Können wir was essen gehen? Ich habe einen Bärenhunger!«
Wir kehrten bei einem Pappbrötchen–Konzern ein. Der Fleischklops war außen fast schwarz und innen noch gefroren.
»Und jetzt? Der Tag ist noch jung.«
»Ich muss in der Redaktion anrufen«, antwortete ich, »ob es was Neues gibt. Außerdem will ich wissen, was Jansen zu meinem Artikel sagt.«
Turkey stippte die Pommes ins Ketchup und leckte sie genüsslich ab. Dann spülte er mit holländischem Bier nach. »War eigentlich ganz nett hier«, meinte er. »Freundliche Leute. Ohne Bliss hätten wir nix rausbekommen.«
»Kodil hatte ihn schließlich gebeten, uns zu helfen«, stellte ich richtig und machte mich über die Salatgarnitur her. Sie war wenigstens knackig. »Normalerweise lässt kein Bulle einen Journalisten in die Ermittlungsakten gucken.«
Endlich war das sogenannte Mittagessen verputzt. Wir fuhren ins Hotel zurück – es war fast vier Uhr nachmittags. Draußen begann es in Strömen zu regnen.
Ich wählte die Nummer des Tageblattes . Jansen war da.
»Grappa, deine Story ist ein Hammer«, begrüßte er mich, »morgen werden die Schmuddelblätter unsere Geschichte nachziehen. Was ist mit dem Mann, der damals die Kinder besorgt hat? Könnte es Vermeulen gewesen sein?«
»Leider nicht. Hätte so schön gepasst. Doch der Typ sieht ganz anders aus. Wir haben ein Foto vom Phantombild aus der Polizeiakte.«
»Schade! Aber man kann nicht alles haben. Ich lasse gerade prüfen, ob wir das Bild von der Ambrosius bringen können. Immerhin konnten die Holländer der Frau damals nichts nachweisen.«
»Die Kinder haben das Haus erkannt, in dem sie gewohnt hat. Und sie war vorübergehend festgenommen«, wandte ich ein.
»Könnte reichen. Immerhin kann eine Verbindung zu den Taten von damals nicht ganz ausgeschlossen werden. Das muss unsere Rechtsabteilung entscheiden. Du hast eine ganze Seite in der Samstagsausgabe. Ich habe außerdem Pfarrer Joseph gebeten, unseren Lesern zu erklären, was Satanismus überhaupt ist.«
»Gute Idee. Ein bisschen was Pseudowissenschaftliches macht sich immer gut. Morgen
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