Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
und schob eine Tiefkühlpizza in den Backofen.
Der Wein stand zartgelb im von außen beschlagenen Glas. Ich hielt es gegen das Licht, wie ich es schon oft getan hatte. Das Klingeln des Telefons bewahrte mich davor, ins Selbstmitleid abzudriften.
»Hier Brinkhoff«, sagte die Stimme. »Ich habe das Laborergebnis. Das Blut auf der weißen Bluse stammt von einem Mann.«
»Was?«
»Sie haben richtig gehört. Ich habe es mit dem Blut von Tabibi vergleichen lassen. Es gibt keinen Zweifel, dass es identisch ist.«
»Das gibt's doch nicht!«, rief ich fassungslos. »Dann müsste Tabibi ja in Lenas Wohnung getötet worden sein.«
»Nicht unbedingt«, widersprach der Hauptkommissar. »Jemand könnte die Bluse in die Wohnung gelegt haben, um den Eindruck zu erwecken, dass die Malerin und ihr Bruder etwas mit dem Tod von Tabibi zu tun haben. Ich bezweifle zwar, dass es diesen Jemand gibt, aber ... Kann ich den Bruder mal sprechen?«
»Er ist ... weg«, stotterte ich. »Er will seine Schwester suchen. Ich fand einen Brief von ihm, als ich vor einer Stunde nach Hause kam.«
»Dann haben Sie ihm also doch gesagt, dass seine Schwester weg ist!«
»Ich konnte nicht anders«, sagte ich zerknirscht.
»Das ist jetzt auch egal. Aufgrund der veränderten Lage musste ich dem Oberstaatsanwalt meine neuesten Erkenntnisse mitteilen«, berichtete Brinkhoff. »Seien Sie vorsichtig, Frau Grappa. Dieses Geschwisterpaar scheint nicht so unschuldig zu sein, wie wir bisher geglaubt haben.«
Ich dachte an die fünf Porträts. Brinkhoff sollte von ihrer Existenz nicht aus der Zeitung erfahren. Schnell hatte ich ihm erzählt, was ich in der Zeichenmappe entdeckt hatte.
»Ein schlauer Schachzug«, bewertete der Hauptkommissar die Fakten. »Die beiden bringen unbescholtene Leute in Verdacht, um von sich abzulenken. Glauben Sie mir, die beiden wollen die vier Millionen Mark erpressen und sich aus dem Staub machen. Für mich stehen die Täter fest – Leon und Lena Pirelli.«
»Ist das der Nachname der Geschwister?« Merkwürdig, dass ich mich nie dafür interessiert hatte.
»Das war keine schwere Aufgabe, den heraus zu bekommen«, berichtete Brinkhoff. »Immerhin gibt's da einige kleinere Ordnungswidrigkeiten wie ›Störung der Sonntagsruhe‹ und ›Erregung öffentlichen Ärgernisses‹, von den Betrugsermittlungen gegen Leon Pirelli ganz zu schweigen. Jetzt planen die beiden den ganz großen Coup – und Sie sollen ihnen dabei helfen.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen!«
»Sie sind doch sonst so clever, Frau Grappa. Die beiden lügen, was das Zeug hält. Oder glauben Sie wirklich, dass der Oberstaatsanwalt, ein Ratsmitglied, der Flughafenchef und dieser Fotograf die Stadt erpressen und den Teppichhändler getötet haben? Die angebliche Zeugenaussage Ihres Geigenspielers könnte genauso gelogen sein wie die Entführung seiner Schwester.«
Klima greift zu
Oberstaatsanwalt Dr. Hasso Klima stand am nächsten Morgen um punkt neun Uhr vor den verschlossenen Redaktionstüren des Bierstädter Tageblattes . Er hatte einen Hausdurchsuchungsbefehl und vier Beamte der Kriminalpolizei mitgebracht. Die Delikte, die wir begangen hatten, nannten sich »Unterschlagung von Beweismaterial« und »Vertuschung einer Straftat«.
Die albanische Putzfrau hatte gerade begonnen, ihren Schrubber zu schieben, als die fünf Herren eintrafen. Ihre Deutschkenntnisse waren durch einen Sprachkurs bei der Arbeiterwohlfahrt inzwischen so gut, dass sie die Männer bat, um elf Uhr noch mal vorbeizuschauen. Erst dann würde Leben in der Bude sein.
Doch so lange wollte Hasso Klima nicht warten. Er scheuchte Peter Jansen vom heimischen Frühstückstisch hoch, Jansen wiederum holte mich unter der Dusche hervor. Mit feuchten Haaren war ich zehn Minuten später in der Redaktion. Obwohl ich ungeschminkt war, erkannte man mich trotzdem.
»Wo sind die Zeichnungen?«, blaffte Klima, als er mich sah.
»Welche Zeichnungen?«, versuchte ich erst mal Zeit zu gewinnen.
»Ich meine die Bilder der verschwundenen Straßenmalerin, über die Sie heute so ausführlich geschrieben haben!« Klima hielt mir die aktuelle Ausgabe unseres Blattes vor die Nase. Er schnaubte leicht, sein Teint beeindruckte durch eine dunkelrote Farbe. Hypertoniker – dachte ich, noch ein kleines bisschen ärgern – dann greift er sich ans Herz, fällt um und tschüss.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte ich voll geheuchelter Fürsorge. »Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«
Die
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