Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
du das anstellen? Der Volontär ist gerade auf Fortbildung.«
»Ach ja?«
»Der Kurs heißt Nachgefragt bei Amnesty International . Es geht um Menschenrechte und darum, wie man sie einklagen kann.«
»Hab ich das genehmigt?«
»Musst du wohl. Er wird wohl für immer fürs Kaffeekochen und Brötchenholen verdorben sein.«
»Mist. Doch auch das ist heute nur ein kleines Problem für mich.«
»Willst du etwa selbst ...?« Ich war gerührt.
»Ach wo«, wies Jansen die Unterstellung zurück. Er bewegte sich grundsätzlich nur so viel, wie unbedingt nötig. »Heute ist die Sekretärin dran. Wenn sie sich weigert, lösche ich alle Computerspiele von ihrem PC.«
Zwei Stunden später hatte ich den Artikel fertig. Er war nicht unbedingt ein Meisterwerk des Enthüllungsjournalismus, denn enthüllt wurde hier so gut wie gar nichts.
Mord, Erpressung und Entführung: Ist toter Iraner Opfer der »Fantastischen Fünf«?
Im Text hieß es: Die »Fantastischen Vier« sind eine deutsche Rockgruppe, die mit mehr oder weniger originellen Liedern ihr Publikum begeistern, »Die Fantastischen Fünf« jedoch sind eine Gruppe Krimineller, die in Bierstadt Morde begehen, die Stadt erpressen, Menschen bedrohen und entführen. Fest steht, dass vier Männer die Leiche des Teppichhändlers Ali Tabibi auf dem Gelände der Bibliothek abgelegt haben: Brutal ermordet. Unserer Zeitung liegt exklusiv die Aussage eines Augenzeugen vor, der die Geschehnisse in der Nacht beobachtet hat. Aus Angst vor einem Anschlag hat er sich an einem sicheren Ort versteckt.
Fest steht auch, dass unbekannte Erpresser die Kommune um vier Millionen Mark erleichtern wollen und mit Anschlägen drohen. Die Erpresser haben ihre Forderungen kurz nach dem Tod von Ali Tabibi gestellt. Die Gruppe nennt sich »Die Fantastischen Fünf«. Sie hat den Mord an dem iranischen Kaufmann in einem Erpresserbrief gestanden. Die Stadt hat Kontakt zu den Erpressern aufgenommen.
»Die Fantastischen Fünf« scheinen außerdem in einem Entführungsfall ihre Hände im Spiel zu haben. Eine junge Malerin, die fünf Männer porträtiert und als »Die Fantastischen Fünf« bezeichnet hat, ist spurlos verschwunden. Die Polizei fand eine blutbefleckte Bluse in ihrer Wohnung. Unserer Zeitung liegen die Zeichnungen im Original vor.
Ob es sich bei der Gruppe um eine mafiaähnliche Bande handelt, die das gesellschaftliche Leben in Bierstadt kontrollieren will, konnte noch nicht geklärt werden. Die Behörden ermitteln fieberhaft – doch zurzeit noch mit wenig Erfolg.
»Na also«, meinte Jansen. »Hört sich doch ganz gut an. Und jetzt muss ich los. Meine Tochter Beate hat sich in Kevin verliebt. Ich habe versprochen, sie zu ihm zu fahren.«
»Beate? Sie ist doch erst vierzehn.«
»Alle Mädchen, die sich in Kevin verliebt haben, sind in dem Alter. Sag bloß, du kennst Kevin nicht?«
»Nie gehört.«
»Kevin spielt bei den Backstreet-Boys. Zuerst fand Beate Brian ja netter, doch dann – es war vor etwa drei Wochen – vermisste sie bei ihm den intellektuellen Tiefgang. Kevin sei ernsthafter und seine Moral sei besser!«
»Kinder«, stöhnte ich. »Wie gut, dass mir so was erspart geblieben ist!«
Alles Lüge, oder was?
Was würde am nächsten Morgen geschehen? Ich stellte mir diese Frage, als ich abends zu meiner Wohnung fuhr. Alle würden mit Lust auf mir herumhacken. Oberstaatsanwalt Klima würde auf der Matte stehen, Die Fantastischen Fünf und/oder die Mörder hätte ich ebenfalls am Hals. Ich musste mir Leon noch einmal vorknöpfen. Irgendwo hatte seine Schwester die fünf Porträts gezeichnet – sie musste ihre Modelle also kennen.
Ich fischte den Schlüssel aus meiner Handtasche und schloss die Tür auf. »Leon!«, rief ich. »Ich habe Neuigkeiten.«
Niemand antwortete. Mir war sofort klar, dass er weg war – seine Schwester retten.
Tut mir leid – war auf einem Zettel zu lesen, der auf dem Küchentisch lag – Ich muss Lena suchen. Vielen Dank für alles! Leon.
Eine Sorge weniger, dachte ich. Leon hatte mein Leben durcheinander gebracht, er hatte Nik mit seinem naiven Gequatsche vergrault, sich von mir durchfüttern lassen und mich mit seinem Putzfimmel genervt.
Doch wo war die Erleichterung, die mich eigentlich erfüllen sollte? An ihre Stelle traten Sorge, Einsamkeit und Angst. Leon war diesen Leuten nicht gewachsen, die Mörder würden ihn kaltlächelnd wegpusten.
Ich überprüfte die Schlösser meiner Wohnung, holte eine Flasche badischen Gutedel aus dem Kühlschrank
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