Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
Erzählung. Leon und Lena Pirelli hatten damals das berühmte Geigerpaar aus der Ukraine gemimt, um ihm die wertlose Geige anzudrehen. Damals musste Lena noch besser drauf gewesen sein als heute.
Im Schlafzimmer stand ein ungemachtes Doppelbett. Er schläft mit ihr, dachte ich, hoffentlich macht sie's freiwillig und nutzt er ihre Lage nicht aus. Wenn doch, wäre das noch ein Grund mehr, ihn fertig zu machen.
Ich hörte ein Geräusch hinter mir. Erschrocken schnellte ich herum.
Lena stand vor mir und klagte: »Ich bin so müde.« Es klang, als sei sie ein Kleinkind.
»Dann kommen Sie!« In einem plötzlichen Anfall von Pflegetrieb schüttelte ich das Bettzeug auf und zog das Kopfkissen zurecht.
»Haben Sie ein Nachthemd?«
Sie schaute sich im Zimmer um.
»Da ist es ja.«
Lena begann sich auszukleiden, was keine langwierige Sache war. Unter Bluse und Rock war sie nackt. Ich hielt ihr das Nachthemd hin. Als sie sich in das Teil hineinwinden wollte, bemerkte ich eine großflächige Verunstaltung, die unter dem Busen begann und bis zum Bauchnabel reichte. Es sah aus wie eine Brandwunde.
»Diese Narben«, sagte ich. »War das ein Feuer?«
»Ja ... Feuer. Es hat sehr wehgetan«, murmelte Lena und versuchte, die Fläche mit den Händen zu bedecken. Ihre Stimme wurde immer kleiner, die Lider fielen über die Augäpfel. »Schrecklich weh.«
Plötzlich liefen Tränen über ihr Gesicht.
»Es ist doch vorbei.« Ich legte den Arm um ihre Schultern. Sie weinte stärker, der schmale Oberkörper bebte.
»Nicht weinen«, bat ich gerührt. »Es wird alles gut. Und jetzt schlafen Sie.« Ich führte sie zum Bett, sie legte sich hinein, nahm sofort die Embryohaltung ein und machte die Augen zu. Ich deckte sie zu, schloss die Tür und schlenderte zum Wohnzimmer.
Es hätte keinen Sinn gehabt, mir das verstörte Mädchen richtig vorzuknöpfen. Grappa, dachte ich, früher wäre dir das nicht passiert, da hast du auf Recherche keine Gnade gekannt.
Ich fand einen Lichtschalter. Dann blies ich die Kerzen aus. Es waren so viele, dass mir der Qualm einen Hustenanfall bescherte. Ich öffnete ein Fenster. Dann begann ich mit der Durchsuchung der Wohnung.
Überall lagen Lenas Werke herum. Sie zeichnete wirklich gut. Die Porträts fertigte sie ja nur an, um Geld zu verdienen, doch ihre anderen Werke hatten etwas Besonderes. Sie waren gegenständlich, zeigten wirre, unwirkliche Szenen, die aus Träumen zu stammen schienen. Die Figuren trugen die Gesichtszüge von Leon, Solo und Lena. Sie standen in einem fast leeren Raum, der merkwürdig flach wirkte. In der Rückwand war ein Fenster eingelassen, das weit offen war. Dahinter türmte sich ein verschlungener Urwald auf, satt grün mit verschlungenen Lianen, an denen farbenprächtige Blüten hingen. Zwei andere Gesichter tauchten in diesem Dschungel auf, sie zeigten Lena und Leon im Alter von etwa vierzig. Solo fehlte.
Leider verstehe ich mich nicht auf psychologische Bildinterpretationen. Ich guckte und guckte, doch mir fiel nichts auf, was mir bei der Lösung des Falles hätte weiterhelfen können.
In den Schubladen fand ich auch nichts Besonderes, ich durchsuchte die Schränke, achtete auf große Taschen und Koffer, in denen vier Millionen Mark Platz gehabt hätten – vergebens.
Im Bad waren lediglich die nötigsten Toiletten-Utensilien abgestellt worden, die mir keine weiteren Erkenntnisse bescherten. Es wurde Zeit zu verschwinden. Die Türklinke schon in der Hand stieß ich mit dem Fuß gegen einen kleinen Mülleimer, der neben dem Türrahmen stand. Ich trat auf den Hebel, und der Deckel öffnete sich. Auch nichts Tolles. Klopapierpappen, eine leere Zahnpastatube und ... eine leere Pillen-Schachtel. Antabus – las ich. Ein Beipackzettel fehlte. Der Name sagte mir gar nichts.
Ich steckte die Schachtel trotzdem ein, öffnete leise die Tür zu Lenas Schlafzimmer, hörte ihren Atem, der gleichmäßig ging, und verließ die Wohnung.
Ich war ebenfalls reif fürs Bett. Unterwegs hielt ich an einer Schnell-Pizzeria und bestellte eine kleine Carciofini. Sie war knackig und frisch. Dazu ein Glas Frascati. Er war wässerig und zu warm.
Ich griff nach einer Bild-Zeitung vom Tage, die auf dem Tresen herumlag. 28 Jahre genörgelt – Mann zersägte Ehefrau stand auf der Seite Eins.
Er hat sich gerächt, schoss es mir durch den Kopf. Der Schlüssel zu allem war RACHE!
Es war bereits Mitternacht, als ich zu Hause eintrudelte. Nach dem Gebet , hatte Lena gesagt, da käme Solo zurück. Und
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