Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
in solchem Outfit schaffen, Baumwolle zu pflücken.«
»Baumwolle?«
»Lass gut sein«, winkte ich ab. »Ich habe nur versucht, einen Ausflug in die Historie der Sklaverei zu machen. Es ist schon ziemlich skurril, dass sich in unseren Zeiten Menschen freiwillig zu Sklaven und Sklavinnen machen, sich auspeitschen und unterdrücken lassen, während in der Vergangenheit die Sklaven durch einen blutigen Bürgerkrieg befreit werden mussten.«
»Dass du immer alles so verdammt kritisch sehen musst!«, rief er mir nach, als ich das Schlafzimmer ansteuerte. Dort schaffte ich es schließlich, mich aus den Sachen zu schälen.
Ich atmete auf, als ich wieder Jeans und T-Shirt trug und meine Haare hinter die Ohren kämmte. Ich war wieder Grappa, das Mädel für fast alle Gelegenheiten.
Zurück im Wohnzimmer erzählte ich Tom Piny, dass sich Dr. Lika und die Prostituierte Manuela kannten und woher ich das wusste.
»Arnim hat viele Patienten.« TOP war überhaupt nicht verblüfft.
»Vielleicht steckt mehr dahinter, als wir ahnen«, gab ich zu bedenken. »Denk an die Bekennerschreiben. Wer kennt die Werke des Marquis de Sade?«
»Du kennst de Sade zum Beispiel verdammt gut«, stellte TOP fest. »Wundert mich ein bisschen, Grappa. Frauen in deinem Alter lesen eigentlich Rosamunde Pilcher.«
»Die hab ich davor gelesen«, schwindelte ich. »Danach war der Weg zu den 120 Tagen von Sodom sozusagen zwangsläufig vorgezeichnet.«
Mir fiel der Therapeut wieder ein. »Wie hast du Lika eigentlich kennen gelernt? Bist du sein Patient?«
»Bisher nicht. Aber das kann sich ja ändern. Ich weiß ja nicht, was du heute Abend noch mit mir vorhast«, grinste Piny.
»Es geschieht nichts, was du nicht willst, Kleiner!«
»Er ist ein Schulfreund«, erklärte TOP. »Ich kenne ihn vom Gymnasium. Ich habe die Mädels flachgelegt und er hat mich anschließend gefragt, was ich dabei gefühlt habe.«
»Also ein Voyeur?«
»Quatsch! Er ist Wissenschaftler und betrachtet Menschen nun mal gern unter dem Brennglas.«
»Gehörten Junghans und Manthey zu seinen Patienten?«
»Keine Ahnung.«
»Dann frag ihn doch mal!«
»Das würde er mir nie sagen. Schon mal was von ärztlicher Schweigepflicht gehört, Grappa?«
Der Büro-Fifi
Noch war das Wochenende nicht da, das mich in den Club Chez Justine führen sollte. Ich hatte Routinearbeiten zu erledigen, denn Journalisten leben nicht nur von den spektakulären Geschichten. Wider Erwarten interessierten sich nicht alle unsere Leser für hinterhältigen Mord, sexuelle Perversitäten und heiße Wahlkampfschlachten.
Gegen Mittag hatte ich einen Termin bei Jakob Nagel, dem Oberbürgermeisterkandidaten der Sozialdemokraten. Er hatte den gemeuchelten Manthey als Letzter gesehen, konnte mir vielleicht sagen, was Manthey an diesem Abend noch vorgehabt hatte.
Nagel hatte im Rathaus ein Büro, er schmiss die Geschäfte des Oberstadtdirektors, der seit Monaten krank war.
Ich klopfte an Nagels Vorzimmertür, wartete das »Herein« nicht ab und trat ein.
»Mein Name ist Grappa«, sagte ich, »Herr Nagel erwartet mich.«
Nagels Büro-Fifi kam auf mich zu. Sein Name war mir mal wieder entfallen, dafür schien er mich genau zu kennen, ohne jemals mit mir etwas zu tun gehabt zu haben. Ich wettete mit mir, dass er mich ätzend fand. Ich gewann.
»Sie müssen warten«, blaffte der Mann, »Herr Nagel hat noch Besuch.«
»Kein Problem«, lächelte ich gnädig, »fünf Minuten habe ich noch Luft. Danach bin ich wieder weg.«
Mein Satz machte Fifi zum Bello. »Sie müssen vielleicht noch länger warten«, kläffte er. »Das kann dauern.«
Er deutete auf einen Stuhl, ich setzte mich betont langsam. Er musterte mich, ich musterte zurück. Er machte sich davon.
Hinter der Tür – dort, wo Nagels Sekretärin saß – hörte ich ihn sagen: »Die lassen wir erst mal da sitzen.«
Doch dazu kam es nicht. Die Zwischentür zu Nagels Büro wurde geöffnet. Heraus traten zwei junge Männer in schwarzen Anzügen, hinter ihnen der OB-Kandidat.
»Frau Grappa«, begrüßte er mich, »nett, dass Sie da sind.« Und zu seinen Begleitern gewandt: »Das ist Frau Grappa vom Bierstädter Tageblatt .«
Die beiden Männer guckten mich abschätzig an.
»Darf ich Ihnen meine Wahlkampfberater vorstellen?«
Sie gaben mir die Hand, murmelten ihre Namen.
»Wahlkampfberatung?«, sinnierte ich. »Und? Was haben Sie ihm geraten?«
»Das gehört nicht in die Öffentlichkeit«, brummte einer. »Ich habe keine Lust, unsere genialen Ideen
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