Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
hat mir bestätigt, dass Sie nach Mantheys Weggang die ganze Zeit in Ihrem Büro waren.«
»Sind Sie sicher? Vielleicht lügt der Rathauspförtner ja«, gab Nagel zu bedenken. »Immerhin bin ich sein Chef. Es kann ja sein, dass ich diese Aussage von ihm verlangt habe.«
»Wäre möglich. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Sie sich die Mühe machen würden, den Mann nackt auszuziehen.«
»Warum nicht? Um Spuren zu verwischen oder falsche Motive zu installieren. Denken Sie an die Maske.«
»Ich glaube nicht, dass Sie etwas tun würden, das keinen wirklichen Sinn ergibt«, sagte ich. »Wenn Sie alle Ihre politischen Feinde in Bierstadt umbringen wollen, dann schaffen Sie das bis zum Wahltag sowieso nicht mehr.«
»Sie haben mich überzeugt, dass ich nicht der Täter sein kann«, sagte der Kandidat trocken.
»Vielleicht sind Sie aber der Nächste auf der Liste des Mörders.«
»Wir beide werden es irgendwann wissen«, meinte Nagel.
»Dann sind Sie aber tot!«
»Das liegt in der Natur der Sache.«
»Denken Sie nicht, dass so was passieren könnte?«
»Wissen Sie, Frau Grappa«, sagte er nun ernst, »gedacht habe ich daran schon. Aber ich habe einfach zu viel zu tun, mich mit ungelegten Eiern zu befassen. Wenn der Mörder vor mir steht, kann ich mich immer noch mit dem Thema beschäftigen.«
»Ich glaube einfach nicht, dass Sie so supercool sind«, meinte ich. »Statt dieser blasierten Wahlkampfberater sollten Sie sich lieber ein paar Bodyguards anschaffen.«
»Die beiden passen schon auf mich auf«, grinste der Kandidat. »Im eigenen Interesse übrigens. Die kriegen ihr Honorar erst, wenn ich Oberbürgermeister bin. Also müssen sie sich verdammt anstrengen.«
»Sie haben wirklich an alles gedacht«, nickte ich anerkennend.
»Eben. Ich bin der Beste – und deshalb will ich an die Spitze dieser Stadt.«
»Um jeden Preis?«
»Um fast jeden.« Nagels Stimme war entschlossen. »Aber Mord hat in meiner Strategie keinen Platz.«
»Lesen Sie eigentlich die Werke des Marquis de Sade?«
»Wenn mir mein Job Zeit dazu lässt. Marquis de Sade war ein ausgesprochen kluger Kopf – er wurde nur in die falsche Zeit hineingeboren.«
Anregungen
Der Tag unseres Besuches im Privatclub Chez Justine rückte näher. Ich wollte die Sache locker auf mich zukommen lassen, erhoffte mir aber keinen neuen Stoff für die Zeitung. Selbst wenn Junghans und Manthey Stammgäste des Clubs gewesen waren – eine Story war das nicht mehr. Beide waren schließlich tot – und wen würde jetzt noch interessieren, wo die beiden Politiker ihre Abende verbracht hatten?
Na ja, immerhin könnte ich eine Reportage schreiben. Auf den Spuren der Bierstädter Politprominenz – ›Tageblatt-Reporterin taucht ab in die Niederungen sexueller Perversion‹ – ich hatte die Überschrift schon im Kopf.
Ich erzählte Peter Jansen von meinem Plan, verschwieg aber, in welchem Outfit ich meine Ermittlungen durchführen wollte und dass ich in Begleitung eines Kollegen von der Konkurrenz sein würde.
»Gute Idee, Grappa«, sagte mein Chef. »Sex und Tiere kommen immer gut. Was veranstalten die da eigentlich?«
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Sehen und gesehen werden. Vermutlich wird ein bisschen rumgevögelt. Aber das kriegst du ja heute schon in fast jeder Disko geboten. Anonymes Rudelbumsen ist in. Denk nur an die Swinger-Clubs. Da gehen sogar Ehepaare hin und suchen sich den Fick fürs Wochenende. Oder die Anzeigen in unserer Spalte ›Bekanntschaften‹: Die toleranten Ehepaare mit viel Tagesfreizeit, die ein gleich gesinntes Paar suchen.«
»Sadomaso ist aber noch was anderes«, stellte Peter Jansen fest, »da geht es ja wohl um Gewalt. Schlagen und geschlagen werden ...«
»Ich weiß. Da gibt es Sklaven und Herren, und ab und zu schwingt mal einer die Peitsche, die Sklaven rutschen auf den Knien herum und lassen sich schlecht behandeln. Die typische Freizeitbeschäftigung für eine sinnentleerte Gesellschaft, die den ultimativen Kick auf wirklich allen Gebieten sucht und ihn trotzdem nicht bekommt.«
»Wenn es den Beteiligten gefällt, ist da wohl nichts gegen einzuwenden«, gab Jansen zu bedenken. »Jeder soll das tun, was er will, um glücklich zu werden. Natürlich nur, wenn niemand dadurch geschädigt wird.«
»Du bist aber tolerant«, wunderte ich mich. »Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
Ich dachte plötzlich an das prickelnde Gefühl, das mich überfallen hatte, als ich mich in der Lederkleidung betrachtet hatte. Ich bin
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